Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)
von diesen Twogoods, die ihr Mäntelchen immer nach dem Wind hängen«, knurrte er.
»Henry, die Familie Tempest blickt auf eine lange und ehrenhafte Geschichte in Wellow zurück«, sagte Miss Cameron streng.
»Ehrenhaft, dass ich nicht lache! Höchstens in den Augen von denen, die es mit der Gentry halten«, murrte Henry.
Martha blickte überrascht auf. Jeb schaute verlegen auf den Boden, die Hände tief in den Taschen seiner abgewetzten Hose vergraben.
Felicity drehte sich zu Henry um. »Was sagst du jetzt?«, fragte sie voll bitterer Genugtuung. »Ich hab dir erzählt, dass ich ihm andauernd begegne, aber du wolltest mir nicht glauben.«
»Hmm«, sagte Henry.
Sie sah Jeb an. »Du bist mir doch gefolgt, oder nicht?«
Er nickte schüchtern; seine Bewegungen wirkten verkrampft und steif. Schweigend betrachtete er das Mädchen. Ihm fiel auf, wie weich ihre Haare über ihre Schultern flossen, als sie sich vorbeugte und mit ihren Freunden flüsterte.
»Jeb wird dir ein bisschen mehr über deinen Großvater erzählen«, sagte Miss Cameron zu Felicity. »Am besten fängst du mit Ruby an«, bemerkte sie an Jeb gewandt, dann ging sie aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
»Mit Ruby?«, fragte Felicity. »Der Schwester meines Vaters?«
Jeb nickte. Er holte sich einen Stuhl und setzte sich.
»Sie ist doch bei einem Unfall auf See umgekommen, oder?«
»Na ja, sie ist ertrunken. Aber es war kein Unfall. Deine Großmutter hat sie umgebracht.«
»Was? Warum?« Felicity war entsetzt.
Martha nahm ihr den Unterteller und die Teetasse, die gefährlich ins Wackeln geraten waren, behutsam aus der Hand und brachte sie in Sicherheit.
»Rafe war ein kluger Mann«, fuhr Jeb fort, »aber am Anfang ihrer Ehe durchschaute er die Herrin einfach nicht. Sie verstellte sich geschickt, und er ahnte lange nichts davon, wie bösartig und gierig sie in Wirklichkeit war.« Er atmete tief durch. Es fiel ihm unerwartet schwer, so vor Publikum zu sprechen.
Felicity lächelte ihm ermutigend zu.
Er redete weiter. »Während Rafe die Welt bereiste, heckten sie und Barbarous Usage einen üblen Plan aus.«
»Barbarous was?«, fragte Martha.
»Usage«, sagte Henry. »Der Anführer der Strandräuber.«
»Ja.« Jeb nickte. »Barbarous hat sich mit den schlimmsten Kerlen aus den Reihen der Gentry zusammengetan. Das waren lauter arbeitsscheue, skrupellose Ganoven. Jedes Mal, wenn ein Schiff die Küstengewässer von Wellow passierte, schickte die Herrin einen Sturm, der es auf die Klippen trieb. Barbarous und seine Bande machten reiche Beute und natürlich bekam auch die Herrin ihren Anteil. Tausende Menschen kamen bei diesen Schiffbrüchen ums Leben. Deswegen ist diese Küste so gefürchtet.«
Felicity starrte ihn wortlos an.
»Als Rafe schließlich dahinterkam, was da gespielt wurde, war er entsetzt«, sagte Jeb. »Er stieß die Usages aus der Gentry aus und sagte sich für immer von seiner Frau los.«
Henry pfiff leise durch die Zähne.
»Die Herrin konnte ihr wahres Gesicht lange vor Rafe verbergen«, fuhr Jeb fort, »aber irgendwann ließ er sich nicht mehr täuschen. Er war ein guter Mensch und hasste Grausamkeit, Unehrlichkeit und Gier. Zuerst war die Herrin überrascht – ich glaube, im Grund ihres Herzens rechnete sie immer noch damit, dass er ihr verzeihen würde. Aber als Rafe hart blieb, fing sie an, ihn aus ganzer Seele zu hassen, und sie brannte darauf, sich an ihm zu rächen. Sie wartete, bis Ruby wieder einmal segeln ging.« Er hielt kurz inne, als ob er seine Gedanken sammeln müsste, dann sprach er weiter:
»Rafe hatte Ruby verboten, mit dem Boot hinauszufahren, aber sie war ein sehr eigenwilliges Mädchen. Die Herrin ließ einen Sturm kommen – einen Sturm, der so ungeheuer schrecklich war, dass Rafe sofort wusste, dass sie ihn geschickt haben musste, um ihn zu bestrafen. Und Ruby ertrank. Das brach ihm das Herz. Noch am selben Tag verließ er Wellow für immer. Und die Gentry fiel auseinander.«
»Aber warum ist die Herrin zurückgekehrt?«, fragte Felicity.
»Als Rafe klar wurde, dass die Herrin Ruby getötet hatte, schwor er Rache«, sagte Jeb. »Er legte ein Gelübde ab.«
»Ein Gelübde?«, fragte Martha.
»Ja, in der Gentry standen Pflicht und Ehre hoch im Kurs«, erklärte Jeb.
Henry schnaubte höhnisch.
Jeb warf ihm einen strengen Blick zu. »Für jeden, der an die echten Werte der Gentry glaubt, ist so ein feierliches Versprechen eine ernste Sache«, sagte er. Er errötete ein bisschen, als
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