Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12
zum
zweiten Mal aus dem Paradies vertrieben worden war. Die Ahnung darüber, was
Schicksal ist, nahm in meinem Kopf auf tragische Weise Gestalt an. Und während
mir die Tränen immer mehr die Sicht verschleierten, freundete ich mich
allmählich mit der Idee an, daß ich das eine mit dem anderen verbinden könnte,
nämlich die Rache mit dem Selbstmord. Es sollte mein finales Geschenk an diese
Welt sein, die sich mir seit der Geburt als eine Bestie gezeigt hatte.
Draußen hatte sich das Sommergewitter inzwischen verzogen.
Allein vereinzelte Wassertropfen, die von den Pflanzenblättern leise
herunterglitten, und die klare Luft zeugten davon, daß hier vor einer halben
Stunde noch die reinste Sintflut geherrscht hatte. Jetzt lieferte wieder das
tiefblaue Sternenzelt eine grandiose Vorstellung. Die warme Temperatur war
zurückgekehrt und das Zirpen der Grillen. Zwischen der chaotisch wuchernden
Fauna ragte am Horizont die alte Villa düster und, wie ich empfand, hohnlachend
empor wie ein alter Dämon. Wie immer brannte hinter den Fenstern Licht,
geradeso, als erwarte der Hausherr um diese späte Stunde noch Besuch. Das war
vielleicht gar kein abwegiger Gedanke. Vermutlich erwartete er mich
tatsächlich, nachdem er die komplette Brut massakriert, aber zum Schluß leider,
leider feststellen mußte, daß das letzte Leichen-Puzzlestück in seinem morbiden
Gemälde noch fehlte. Er sollte sein Puzzle vollenden, vielleicht nicht um den
Preis seines Lebens, aber zumindest um den seiner Augen, die ich ihm
auszukratzen gedachte. Wenigstens so wollte ich Rache nehmen, bevor ich in die
ewigen Jagdgründe abwanderte.
Als ich wenige Meter vor der Villa angekommen war, drang
daraus ein bizarrer Ton in meine Ohren. Es war ein kaum differenzierbares
Gebräu aus fremdländisch klingender, menschlicher Sprache, mannigfachen
Tierlauten, recht schräger Musik und anderen Geräuschen. Das Ganze hörte sich
etwa so an, als würde jemand sämtliche Platten seiner umfangreichen Sammlung
auf einmal abspielen, und das auch noch rückwärts. Obwohl ich eben noch in
Todesmut geschwelgt hatte, kehrte bei dieser babylonischen Geräuschkulisse die
Furcht zurück, und meine Fellhaare richteten sich igelgleich auf. Wer weiß,
vielleicht feierte die Blutsäufer-Internationale da drin gerade ihr
alljährliches Betriebsfest und konnte echt ungemütlich werden, wenn man das
Schild mit der Aufschrift Bitte nicht stören draußen an der Tür
mißachtete.
Trotz des rasenden Bumm-Bumm meines Herzens sprang ich
leise auf die Veranda und näherte mich auf Pfotenspitzen einem der erleuchteten
Fenster. Ein riesenhafter Schatten huschte dahinter nervös hin und her. Dieser
Anblick gepaart mit den anschwellenden Teufelsgeräuschen ließen meinen
anvisierten Opfertod immer schneller in den Hintergrund rücken. Das Herz
rutschte mir nicht nur in die Hose, es kam mir schon fast hinten wieder heraus.
Dennoch behielt ich einigermaßen die Nerven. Drauf und dran, auf die
Fensterbank zu springen, um dann durch die Scheibe ins Hausinnere zu linsen,
zog plötzlich eine andere Alternative meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich bemerkte
in einiger Entfernung ein nach oben zum ersten Stockwerk führendes Regenrohr,
um das sich eine Kletterpflanze mit dickem Astwerk spiralförmig gewunden hatte.
Es war ein Klacks für mich, sie hinaufzukraxeln. Da die Fenster in dieser Ebene
stark beschädigt und die Scheiben teilweise zu Bruch gegangen waren, konnte ich
von dort mit gebührender Vorsicht den Einstieg ins Haus wagen, ohne mich der
Gefahr auszusetzen, dem Ungeheuer unten direkt in die Arme zu laufen. So konnte
ich mich mit dem brenzligen Terrain erst einmal vertraut machen.
Gedacht, getan. Mit der Leichtigkeit eines
Freeclimbing-Asses krallte ich mich an der Kletterpflanze empor und stand bald
vor der leicht gewölbten, mit Schieferschindeln bedeckten Fassade des ersten
Stockwerks. Durch ein Fenster, dessen Glas in der Mitte zerbrochen war,
riskierte ich einen Blick hinein. Das Innere unterschied sich eigentlich kaum
vom verwahrlosten Äußeren. Räume, deren hohe Türen sperrangelweit offenstanden
und die gerammelt voll waren mit verstaubtem, antiquarischen Mobiliar.
Meterlange Regale gefüllt mit von Staub und Spinnweben überzogenen Büchern,
zumeist erlesene Lederbände. Vergilbte, von Mäusen zernagte Papiere, zu losen
Seiten auseinandergebrochene Bücher und umgekippte alte Pokale,
Porzellanfiguren, ja sogar antike Standuhren lagen auf dem schmutzigen Boden.
Hätte nicht in
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