Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman
man selbst heimisch war. Selbstredend mußte es sich dabei um einen Menschen handeln, denn die Vorstellung, die Viecher hätten die Reise aus dem fernen Balkan ins gelobte Land zu Pfote unternommen und sich dann selber ins Tierheim eingeliefert, wäre doch etwas ulkig. Und welcher menschliche Samariter, dem das Wohl von ein paar Militärkläffern am Herzen lag, kam dafür in Frage?
Unverzüglich machte ich mich erneut über das Internet her. Diesmal jedoch, um eine ganz gewöhnliche Adressenauskunft abzurufen. Sobald sich die Seite auf dem Schirm aufgebaut hatte, trug ich in die leeren Felder den für den Suchvorgang erforderlichen Namen und die Berufsgruppe ein: Horche August/General.
Wieder Volltreffer! August Horche, General a. D., so der fix von der Auskunft ausgespuckte Hinweis, wohnte nur vierzehn Häuser von meinem Domizil entfernt. Der Knacker war also mittlerweile außer Dienst, hatte sich pensionieren lassen und sich in Gefilden aufs Altenteil zurückgezogen, wo geringe Wahrscheinlichkeit bestand, daß der Tritt auf eine Tellermine einem beim Morgenspaziergang die Laune verdarb. Aber offenkundig nicht ohne seine Schützlinge ebenfalls aus dem Land des Todeslächelns mitgenommen zu haben, was bestimmt nicht ohne eine gewisse kriminelle Energie möglich gewesen war. Sicher hatte er die gesamte CAVE-CANEM-Crew bei einer Nacht-und-Nebel-Aktion in einen Transporter geladen und sie aus dem Militärcamp herausgeschleust. Klar, daß er nicht alle Tiere, vielleicht sogar kein einziges, bei sich zu Hause aufnehmen konnte. Deshalb hatte er sie dem Tierheim überantwortet, in der Hoffnung, es mögen sich fremde Herrchen und Frauchen mit viel Herz für sie finden.
Aber warum hatte er das getan? Wieso stahl ein General wertvolles »Militäreigentum«, um es dann später quasi zu verschenken? Hatte er etwas so Schreckliches bei der Dienstausübung dieser Kläffer erblickt? So wahr es keine größere Zeitverschwendung auf Erden gab, als sich mit dem Los von Gebell-Verursachern zu beschäftigen, so folgerichtig war es auch, daß ich den Fall nie lösen würde, wenn ich dem alten Kommißkopp Horche nicht einen kleinen Besuch abstattete. Rein logisch betrachtet, führte diese Fährte ins Nichts. Denn der Tote mit der Soldatenmarke war lediglich ein weiteres zufälliges Mordopfer gewesen und hatte eigentlich nichts mit den Ermordeten aus unserem Revier gemein. Des ungeachtet grummelte etwas Unerklärliches in meinen Eingeweiden, und ich spürte, daß Nachforschungen in diese Richtung lohnender wären als alles andere. Der kalte Hauch des Krieges wehte durch diesen Fall wie Fäulnisgeruch und würde früher oder später zur Quelle des Unheils führen. Das wußte ich!
Ich wandte mich vom Computer ab und wollte das private Schlachtfeld des Drecks und der Schlampigkeit gerade verlassen, als meine und Archies Blicke jäh aufeinander prallten. Er saß aufrecht im Bett und hatte einen derart bestürzten Ausdruck im Gesicht, als sei ihm soeben das Desaster seines entgleisten Lebens bewußt geworden. Augenscheinlich war er während meiner Computer-Recherche aufgewacht und angesichts der so völlig von »Brehms Tierleben« abweichenden Szene umgehend zur Salzsäule erstarrt. Sein Mund bewegte sich, ohne ein Wort herauszubringen, die Augen waren weit aufgerissen, und unzählige Runzelwogen zogen sich über die Stirn bis hinauf zur Glatze. Bevor der praktisch nackte Kerl aus dem Bett springen, mir um den Hals fallen und mich um Auskunft anflehen würde, wie man mit dem Internet effektiv umging, hüpfte ich vom Tisch, lief aus der Wohnung und ließ ihn mit seinen Zweifeln, ob das eben Gesehene eine vom Kater hervorgerufene Fata Morgana gewesen sein könnte, allein.
Draußen im Treppenhaus entschloß ich mich zu einer Abkürzung. Statt das Haus durch die Hintertür zu verlassen und über die Gartenmauern zum Wohnsitz des Generals zu gelangen, zog ich sozusagen die Luftlinie vor. Über die Dächer wäre der Weg am kürzesten. Ich begab mich ein Stockwerk nach oben und huschte durch ein kleines offenstehendes Flurfenster in die Bleibe von Professor Amöbius Mars. In der Hoffnung, der Allergiker möge nicht zu Hause sein, wandelte ich mit schlechtem Gewissen über die im Sonnenschein glühenden Dielenbretter und hielt fieberhaft Ausschau nach einem Schlupfloch zum Dach.
Die demonstrativ zur Schau gestellte Leere an diesem Ort überwältigte mich aufs neue, und eingedenk des infernalischen Chaos, dem ich vor ein paar Sekunden entronnen
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