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Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman

Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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war, fühlte ich mich wie auf einem anderen Planeten. Außer ein paar vereinzelten Mitbringseln aus den entlegensten Winkeln der Erde wies beinahe nichts darauf hin, daß die Dachgeschoßwohnung bewohnt war. Ein präparierter Schwertfisch an einer Flurwand, die Holzstatue einer vielbusigen Fruchtbarkeitsgöttin in einem kahlen Raum, primitive Knochenäxte und Tonkrüge in einem Regal; bis auf ein paar unerläßliche Hausgerätschaften in minimalistischer Ausführung waren solcherlei Exponate fast die einzigen Gegenstände in der Wohnung.
    Die Dachterrassentür stand sperrangelweit offen, und ich wollte soeben nach draußen spazieren, als mit einem Mal Herr Mars vor mir stand. Wie bei Archie war auch seine Miene von Verwirrung und Entsetzen gleichermaßen gekennzeichnet. Allerdings aus einem völlig anderen Grund. Der in einem hellen Sommeranzug mit Weste und Bundfaltenhose steckende Beinahe-Glatzkopf riß sich bei meinem Anblick die Goldrandbrille herunter, und sein Gesicht begann rot anzulaufen. Sein Körper bebte, die Augen tränten, und der Kopf bewegte sich in heftigem Rhythmus auf und ab, als nicke er ekstatisch zu den Anordnungen eines imaginären Befehlsgebers. Ich vermochte kaum zu unterscheiden, ob das eine echte allergische Reaktion auf einen Vertreter meiner Art darstellte oder ob es sich um nackte Panik in Erwartung dieser Reaktion handelte, die denselben Effekt hervorrief. Wie dem auch sei, es schien für uns beide ratsam, uns aus dem Wege zu gehen, und so verzog ich mich.
    Draußen, als ich von einem Teakholzstuhl auf der Terrasse auf den sich herabwellenden Dachvorsprung gesprungen war, wurde es mir jäh ganz blümerant. Seit dem Erwachen hatte mich das Wechselbad der persönlichen sowie detektivischen Entwicklungen derart in Atem gehalten, daß ich nicht einmal hätte sagen können, welche Jahreszeit gerade bei uns residierte. Doch nun, hoch auf den Dachpfannen und das Panorama des gesamten Viertels im Visier, dazu den wolkenlosen Himmel mit der brütenden Mittagssonne im Genick, erschlug mich die Hitze regelrecht. Es wird meinem Ganzkörper-Pelzmantel eine ventilierende Funktion nachgesagt. Doch in solchen Momenten kann ich daran, offen gesagt, selber nicht richtig glauben. Zum Glück bin ich allerdings von einer Eigenart befreit, die Menschen bei derartigen Temperaturen ziemlich derangiert aussehen läßt: schwitzen.
    Obwohl es mir schmerzlich bewußt wurde, daß ich besser einen Happen zu mir nehmen, noch dringender jedoch ausgiebig den Durst hätte löschen sollen, entschloß ich mich zu der kleinen Exkursion. Danach konnte ich mich ja immer noch an den Brosamen gütlich tun, die mir mein neu gewonnener Sohn hoffentlich übriggelassen hatte.
    Die Dächer waren unser Reich! Auch im übertragenen Sinne. Die Menschen da unten mochten ihren so überaus wichtigen Geschäften nachgehen, ihre unlösbaren Probleme zu lösen versuchen und ihre trügerischen Liebschaften pflegen, aber nur selten teilten sie unsere luftige Perspektive, welche mehr als nur einen optischen Überblick gewährte. Die Sicht aufs Ganze, auf die Aktivitäten der Sterblichen relativierte die Bedeutung vieler Dinge, ließ sie unwichtig erscheinen und die Erkenntnis aufkommen, daß all unser Besitz Plunder ist und unser Tun sinnlos. Die Ermordeten waren uns nur vorausgegangen, wir selbst waren nichts als die Toten von morgen. Dermaßen philosophisch gestimmt, trippelte ich über Wellblech und Hohlpfannenziegel, wich wackeligen Schornsteinen aus, übersprang Gauben und hielt trotz der an meinen Kräften zehrenden Gluthitze das Panoptikum dort unten im Auge. Natürlich fiel das Urteil diesmal milder aus, da der Zauberpinsel des Frühlings alles leuchtend und bunt angemalt hatte.
    Es war kinderleicht, von einem Dach zum anderen zu wechseln, da die Gebäude buchstäblich aneinandergepappt waren, und da, wo es sich nicht so verhielt, wagte ich einen beherzten Sprung über eine schmale Kluft. Dann endlich erreichte ich die im Internet angegebene Hausnummer und bereitete mich schon innerlich darauf vor, mich durch mehrere Stockwerke hindurch mühsam nach unten winden zu müssen. Deshalb staunte ich nicht schlecht, als ich über die letzte Dachrinne den Kopf herunterstreckte und sah bzw. gar nichts sah bzw. nur eine kolossale Baulücke bzw. einen Garten. Ein Garten allerdings, der sogar vor den Augen Ludwigs des Vierzehnten allemal Gnade gefunden hätte. Ein kleines Paradies mit Pyramidenbäumen, Trauerweiden, einer unübersichtlichen

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