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Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman

Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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der vielen leergerauchten Zigarettenpackungen, und einen ebenfalls handgefertigten Umhang aus Fischernetzen, Fischgräten, Algen und Muscheln. Sein Zepter bestand aus einem Besenstiel, dessen Knauf aus einem prachtvollen Seeigelpanzer. Es wäre selbst einem amtlich ausgewiesenen Idioten leichtgefallen, zu erraten, wen diese Figur darstellte: Neptun, den Meeresgott! Aber das Schockierendste daran war, daß ich diesen Neptun schon einmal zu Gesicht bekommen hatte: General August Horche, in sorglosen Jugendjahren, mit sorglosen jungen Augen, die gewiß schon viel Meeresblau gesehen hatten, aber bestimmt nicht die unaussprechlichen Greuel und Massaker, die sie in den folgenden Jahrzehnten auf den Schlachtfeldern der Welt noch zu sehen bekommen sollten.
    Der Schock bewirkte paradoxerweise eine beinahe meditative Ruhe, und ich zählte eins und eins zusammen. Mein so rührend hilfsbereiter Internetkumpel war Horche, derselbe Horche, in dessen früherem Wohnsitz ich mich gerade aufhielt. Hier hatte er einer makabren Leidenschaft gefrönt, und zwar der optischen Onanie an kriegerischen Ausnahmezuständen, der zwanghaften Beschäftigung mit dem Kriegsmonster. Das hatte er so lange und exzessiv betrieben, bis er darüber den Verstand verloren hatte und zu einer recht bizarren, doch den Seelenfrieden schonenden Lebensweise in sein Gärtnerparadies geflohen war. So weit, so gut. Die Brücke zu den Tiermorden im Revier, das heißt zu deren eigentlichem Motiv zu schlagen war da schon schwieriger, um nicht zu sagen unmöglich. Wenn man diesen belanglosen Punkt aber ausklammerte, löste sich fröhlich ein Knoten nach dem anderen in diesem verzwickten Fall. In Anspielung auf die schönen Seefahrer- und Tauchertage, als er noch Kapitän Neptun gewesen war, hatte Horche sich dieses Pseudonym zugelegt und für mich den Köder ausgelegt. Nachdem ich angebissen hatte, hatte er mich in dieses Irrenhaus geschickt, damit ich die ganze Wahrheit erführe. Was hatte er von so einem possierlichen Mäusequäler wie mir schon zu befürchten? Und als Demonstration dieser zynischen Gesinnung hatte er vorher Andromeda kaltgemacht, weil er bei der alten Senke heimlicher Zeuge meiner Selbstbezichtigung geworden war und wußte, daß jeder weitere Mord mir angelastet, aber so oder so zum Krieg zwischen den beiden Arten führen würde. Er war der Herr des Spiels und sonst niemand, lautete die grausame Botschaft.
    Das alles klang doch ungeheuer logisch, oder etwa nicht? Irgendwie schon. Doch was war der eigentliche Beweggrund für dieses blutige Spiel? Und wieso hatte Horche/Neptun mich gebeten, das Kriegsmonster umzubringen, das er ja selbst verkörperte? Zumal ihm ja auch klar sein mußte, daß ich gar nicht in der Lage war, einen Menschen zu töten.
    Vielleicht aber erübrigte sich jedes weitere Rätselraten, denn wenn mich meine hochsensiblen Sinne nicht täuschten, war ich seit geraumer Zeit nicht mehr das einzige atmende Wesen in dieser Horrorbude. Obgleich der meteorologische Rüpel da draußen einen gewaltigen Krach fabrizierte, der hier drinnen immerhin noch als unheimliches Knistern und Knacken zu hören war, vermeinte ich plötzlich ein weiteres Geräusch zu vernehmen, das mich dem Nervenzusammenbruch noch ein paar Schritte näher brachte. Der Besitzer des Schattens, der über die offenen Türflügel und Korridorwände wanderte, verursachte während seines Streifzugs durch das Haus ein verstohlenes, kaum hörbares Tapsen, als wandle er auf Zehenspitzen. Warum wohl? Mein Herz, das infolge der Aufregungen der letzten Tage mit absoluter Sicherheit bald gegen eine Metallpumpe ausgetauscht werden mußte, setzte wieder ein paar Takte aus. Könnte es nicht sein, daß derjenige, dessen Geheimnis ich gelüftet zu haben glaubte, kein großes Interesse an Publicity hatte?
    Ich schlich langsam in einen dunklen Winkel zurück, den Blick immer auf Andromedas Leiche gerichtet, quasi vom mahnenden Beispiel lernend, wie es einem ergehen kann, wenn man dem Falschen »Guten Tag« sagt - oder »Gute Nacht«! Ganz eindeutig suchte der Eindringling jeden Raum systematisch ab, und ganz offenkundig war ihm vor einer Konfrontation mit dem Gesuchten kaum bange, da er es so beharrlich darauf ankommen ließ. Das heimtückische Tapsen näherte sich stetig meinem Versteck, das genaugenommen gar keines war, sondern eine düstere Lücke zwischen zwei Bücherregalen. Auf Dauer würde mir der strategische Rückzug hierher sowieso nichts nützen. Denn bald würde der schauerliche

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