Felipolis - Ein Felidae-Roman
Doss uns irgendwelche wolkige Versprechen su sehr den Verstond vernebelt hätten, doss mer uns am End frejwillig vergasen lassen würden? Marc Forster is a Kind, a dummes Kind, wos sech on Vögelgezwitscher erfreut und sech der Sache der Tiere met Haut und Haar verschrieben hot. Er dient ins sozesagen als U-Boot noch Felipolis. Nischt er benützt ins, sondern mir ihm. Jo, auch mir riechen die Gas, Francis, und atmen se ejn. Schon amol drüber nochgedenkt, doss unsereins zijmlech meschugge werd und panisch, jo, sech und anderne verletzt auf ejm Sechzehn-Stunden-Flug em Frachtraum von an Flugzeug? Dos is unsere Natur. A jedes Tier bekemmt a Betäubungsmittel gespritzt für so a langen Transport. Und wejl dos Spritzen bej asu vijle von de Unsrigen zu aufwändig wär, is nur die Gas infrage gekammen.«
Das leuchtete ein. Irgendwie leuchtete mir jetzt alles ein, auch dass wir unbedingt einen eigenen Staat im Indischen Ozean brauchten, einen bewanderten Führer wie Herzl, und dass Marc Forster in Wirklichkeit ein herzensguter Mensch in Gestalt eines Arschlochs war. Es leuchtete mir sogar ein, dass man einen Störer wie mich zu Tode prügeln musste, um dieses Ideal zu verwirklichen. Oder ihm alternativ die Kehle aufschlitzen. Kurz, ich war mittlerweile von dem Gas genauso high wie alle anderen. Eine unbeschreibliche Leichtigkeit
und Harmonie befiel mein Herz. Sämtliche Widersprüche und Ängste lösten sich auf, und damit schwand auch meine Willenskraft. Ich fühlte geradezu eine fiebrige Bereitschaft, alles zu akzeptieren und zu tun, was man mir sagte. Ja, die Welt war schön und wunderbar, und kein aufmüpfiger Gedanke würde an diesem Bild der Eintracht etwas ändern. Ein Jammer, dass im Hintergrund nicht irgendwas von Mozart lief.
Die Hallentore wurden von draußen geöffnet, und drei anthrazitfarbene Busse fuhren hinein. Die Fahrer trugen Gasmasken. Marc Forster, das dumme Kind, das so gern dem Gezwitscher der Vögel lauschte, hatte sich nicht lumpen lassen. Es handelte sich um die aktuellen Modelle der Mercedes-Travego-Serie, die an elegante Luxusjachten erinnerten und deren Rückspiegel wie gewölbte Enterhaken aussahen. Riesige Panoramafenster ermöglichten von jedem Platz aus einen Rundumblick, und schon von Weitem wirkten die Sitze derart kuschelig, dass man auf ihnen den Rest seines Lebens verbringen wollte. Toll, wenn schon die Fahrt zum Flughafen so exquisit anfing.
Herzl bemerkte offenbar die Faszination in meinen Augen und zwinkerte mir zu. »Nu, Francis, wie wär’s? Ech seh doch, doss de dejnen Widerstand endlech aufgibst. Glaub mer, mej Bester, dech erwartn en Felipolis Sachn, von denen de nischt amol ze träumen gewagt host. Atemberaubende Jagden noch Klejnwild, spannende Entdeckungsrejsen em Dschungel, imma ejn warmer Wind, wus dejm Fell a frische Meeresbrijse zublast, und Schlofen en ewig lauer Nocht unterm Sternenzelt, von wo nur de Götter der Wildnis herobschauen. De wirst wijder dos wilde Tier sejn, wus de en dejnem tiefsten
Innern schon immer worst. De werst Vögel fongen und Mäus schnabuliern, wonn immer de willst, ohne doss de auf Empfindlechkejten von Menschen Rücksecht ze nehmen brauchst. De wirst frej sejn im absoluten Sinn von dem Wort, Francis. Nu, willste met uns kommen, mej Bester?«
Die automatischen Türen der Busse, in denen ein mildes Licht erstrahlte, öffneten sich. Ein Artgenosse nach dem anderen hüpfte auf die Stufen der Einstiegstreppen und verschwand im Innenraum. Die Wagen wurden sekündlich voller. Jeder in der Halle hatte mir inzwischen den Rücken gekehrt, bis auf Herzl, Domino und Sancta, die mich teils fordernd, teils flehend anblickten. Nur noch ihnen schien etwas an dem großen Detektiv zu liegen. Insbesondere Sancta machte den Eindruck, als sei sie trotz der Gehirnwäsche und der Wirkung des Gases noch unentschlossen. Sie war zwischen der Loyalität zu mir und dem schier schmerzenden Sehnen nach dem Land ihrer Träume hin- und hergerissen. Aber die Liebesbande zwischen uns waren offenkundig aus solcherlei Fasern gestrickt, dass nicht einmal diese gegensätzlichen Brachialkräfte sie zu kappen vermochten. Unsere Liebe war ein geheimnisvolles, sich grenzenlos selbst reproduzierendes Öl, das die Flamme ewig am Brennen hielt. Die Flamme würde nie erlöschen, wohin Sancta auch ging und was sie auch tat.
Und ich? Ich schwebte in einem Kosmos zwischen vollendeter Glückseligkeit, Euphorie und absoluter Willenlosigkeit. Und damit nicht genug, mittlerweile hatte ich
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