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Felipolis - Ein Felidae-Roman

Felipolis - Ein Felidae-Roman

Titel: Felipolis - Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Clints getreue Kameraden waren seinem Vorbild gefolgt und hatten sich auf die gleiche Art und Weise selbst gerichtet. Während meine Retter mich recht rabiat weiter zurückdrängten, konnte ich den Blick nicht abwenden. Die Szenerie hätte aus einem Schlachthaus stammen können: Drei edle Orientalen mit dem samtglänzenden Fell und dem geschmeidigen Muskelaufbau von Araber-Hengsten lagen wie hingeworfene Bündel in ihren Blutlachen. Die Hälse aufgeschlitzt, die schönen Augen blind. Was für eine Verschwendung! Was für eine unfassbare Verschwendung an Leben!
    Und wieso? Was konnte so bedeutsam sein, dass sich drei gestandene Killer eher umbrachten, als mit ihrem Geheimnis
herauszurücken? »Es lebe Felipolis!«, waren Clints letzte Worte gewesen. Felipolis … Das Wort hatte in der Tat einen verführerischen Klang. Es weckte Sehnsüchte. Aber was Felipolis auch war und in welcher Beziehung es mit dem Milliardenerbe stand - letzten Endes war es nichts wert. Denn nichts konnte von Bedeutung sein, wenn dafür auch nur ein Einziger von meiner Art sterben musste.

10
    »Sie hätten dich, ohne zu zögern, abgemurkst, wenn wir nicht aufgetaucht wären, Paps«, sagte Junior in die Stille der Nacht hinein. »Vielleicht hast du für die Brüder ein paar Tränen zu viel vergossen.«
    Wir standen draußen auf Archies Balkon, weil wir den Anblick des blutigen Schlamassels im Schlafzimmer nicht ertragen konnten. Bäume und Sträucher schwankten leicht im lauen Sommerwind und erzeugten ein angenehmes, leises Rauschen. Grillen zirpten um die Wette. Der Mond hatte seinen silbernen Tüll über die Hinterhofgärten und die Ziegelsteinmauern ausgebreitet und so für das Bilderbuchklischee einer romantischen Sommernacht gesorgt. Doch nach Romantik war mir herzlich wenig zumute. Vielmehr empfand ich rein gar nichts, fühlte mich sogar körperlich stumpf, als hätten Betäubungsspritzen Darts mit mir gespielt. Das hatte allerdings auch einen positiven Nebeneffekt. Durch die Grausamkeiten der zurückliegenden Minuten hatte ich meinen eigenen Schmerz völlig verdrängt. In irgendeinem schlauen Buch hatte ich einmal gelesen, dass man in früheren Zeiten, als die Narkose noch nicht erfunden worden war, dem zu operierenden armen Schwein einfach eine brennende Kerze unter die Hand hielt, damit er von den zu überstehenden Folterqualen quasi durch einen Gegenschmerz abgelenkt
wurde. So erging es mir in dieser fürchterlichen Nacht. Ich hatte in die Hölle geblickt und dabei das Fegefeuer in mir vergessen.
    »Versündige dich nicht, Junior«, sagte ich. »Immerhin sind drei von unserer Art gestorben. Jeder Tod ist einer zu viel, das müsstest du wissen. Wer keinen Respekt vor den Toten hat, hat auch keinen vor den Lebenden.«
    »Entschuldigen Sie, dass ich mich einmische, Herr Pastor«, knarzte Blaubart. Er wirkte auch sonst kaum so, als käme er gerade von einer mehrmonatigen Wellness-Kur, doch nun schien seine baufällige Fassade dem Einsturz nahe zu sein. Die eh schon keiner Farbe und Fasson zuordenbaren Fellhaare waren vollkommen verfilzt. Die aus einer Fleischgrotte bestehende Augenhöhle hatte sich zu einem einzigen Schlitz zusammengezogen, und das Maul, durch das man das schadhafte Gebiss erahnen konnte, hing asymmetrisch zu einer Seite herab. Die Strapazen des letzten Tages hatten tiefe Spuren an meinem alten Freund hinterlassen. »Wo wir gerade diese armen Knaben betrauern, vielleicht ist ja deren segensreiches Wirken zu Lebzeiten, das ich vor ein paar Stunden bestaunen durfte, von mehr Interesse.«
    »Lass die Witze und komm zur Sache, Blaubart. Du solltest nach Josef und seiner Proletarischen Union Ausschau halten und sie und alle anderen vor diesem Marc Forster warnen.«
    »Josef? Der ist tot. Toter ist nur noch eine Ratte namens Karl Arsch, die ich vor zehn Jahren verspeist habe. Scheiße ja!«
    »Wie bitte?« Erneut hatte ich das Gefühl, als würde ich unter einer pechschwarzen Riesenwelle begraben. Doch, um
bei dem Vergleich zu bleiben, hatte ich mich dank meiner emotionalen Starre mittlerweile zu einem ausgezeichneten Surfer gemausert. Selbst aus den tiefsten Tiefen konnte ich schnell wieder auftauchen und den Ritt zu den Ufern des Grauens mit stoischer Gelassenheit bewältigen. Die Nachricht von Josefs Tod prallte an mir zwar nicht einfach so ab, aber sie besaß auch nicht die Wirkung eines Boxhiebs in die Magengrube. Vielleicht hatte ich es auch vorher schon geahnt.
    »Was hast du herausgefunden, Blaubart?«
    »Nun ja, ich bin

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