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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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mehr wie alles andere wie Hören war, den ich jedoch noch immer nicht analysieren und genau beschreiben konnte.
    Jetzt sprach der Bräutigam, und jegliche andere Konversation im Saal verstummte. Ich wartete rasend vor Ungeduld, dass das allgemeine Getuschel wieder einsetzte. Er redete, wie es mir vorkam, eine geschlagene Stunde lang darüber, welche Veränderungen Eileen in seinem Leben bewirkt hatte, wie glücklich er jetzt sei und wie sehr er sich darauf freue, Cheryl ein neuer Vater zu sein. Ich fragte mich, ob er eigentlich ahnte, welchen Unsinn er faselte.
    Als der Applaus wieder aufbrandete, quetschte ich die ersten Töne hervor. Ich versuchte, so gedämpft wie möglich zu spielen, und anfangs schaffte ich es auch, aber dann machte die Melodie sich selbstständig. Wenn man sie in ein anderes Muster presste, erhielt man ein anderes Ergebnis.
    Meine Sinne konzentrierten sich auf die Notenfolge, auf den Aufbau der Musik des Geists. Zum Teil war es »The Bonny Swans«, aber das meiste war neu, es gehörte ihr und niemandem sonst, dieser Klang, der den Raum darstellte, den sie auf der Welt einnahm, das Lied, das von ihr sang.
    Auffallende Lücken im Stimmengewirr in meiner Umgebung verrieten mir, dass die Gäste, die in meiner Nähe waren, die Musik mittlerweile gehört hatten. Vermutlich suchten sie ihre Quelle. Ich spielte weiter, weder schneller noch langsamer. Ich war jetzt ans Rad gefesselt und musste ihm dorthin folgen, wohin es mich brachte.
    Stille breitete sich aus, und Schritte kamen auf mich zu, aber es war fast geschafft. Ein paar Takte noch, und ich war am Ziel. Eine Hand packte meine Schulter. Ich hielt die Augen geschlossen, ignorierte sie, intonierte ein klagendes Diminuendo und endete auf einem Ton, der sich mit einem unerwartet trotzigen Triller verabschiedete.
    Mir wurde die Tin Whistle aus der Hand gerissen. Ich schlug die Augen auf und starrte in das Gesicht Tonka Toys, des stämmigen der beiden Cousins Cheryls. Er hielt die Flöte vor meiner Nase hoch, sein Gesicht eine einzige entrüstete Anklage. Andere Gesichter drängten sich hinter ihm und betrachteten mich neugierig oder empört.
    »Soll das ein Scherz sein?«, fragte ein korpulenter Mann drohend.
    »Nein«, antwortete ich. »Eine Einladung.«
    In den hinteren Reihen der Menschenmenge ertönten entsetzte Seufzer und dann ein Schrei. Alle Köpfe drehten sich in die Richtung, auch der Tonka Toys. Während er mit den anderen Gästen in die Richtung gaffte, schnappte ich mir die Flöte aus seiner Hand und verstaute sie sorgfältig. Jeden Augenblick konnte die wahre Hölle losbrechen, daher wollte ich das Instrument schnellstens in Sicherheit bringen.
    Der Archivgeist ging durch die Mitte des Raums und durch die Leute hindurch, die sich bemühten, möglichst viel Abstand zwischen sich und dem Geist zu halten. Geister mochten mittlerweile alltägliche Phänomene sein, aber einige Geister machen sich nachhaltiger bemerkbar als andere, und diese gesichtslose Frau wurde von einer Entschlossenheit angetrieben, die den Raum bis in den letzten Winkel durchdrang.
    Sie blieb stehen und schaute sich um – ohne Augen. Sie erschien jetzt um einiges solider, und man konnte erkennen, dass das weiße Gewand, das sie trug, schon in Höhe der Taille endete. Darunter trug sie einen schlichten schwarzen Rock, und ihre Arme waren nackt.
    »Gdyeh Rosa?«, sagte sie in einem klagenden, vorwurfsvollen Tonfall. »Yanye znayo gdyeh ona. Vi dolzhni pomogitye menya naiti yeyo.«
    An verschiedenen Stellen in der Menge schrien Personen auf.
    »Ya potrevozhna o Rosa.«
    Ich schubste den Türsteher beiseite und stürzte mich in die Menschenmenge, wobei ich den Kopf hektisch hin und her drehte. Es musste jetzt geschehen, während der Schock, den Geist laut sprechen gehört zu haben, den Menschen noch frisch im Bewusstsein war. Ich hatte mir große Mühe gegeben, diese Szene vorzubereiten, und ich wollte verdammt sein, wenn ich diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen ließ.
    Alice und Jeffrey standen noch immer am Getränketisch, aber sie schlugen, so schnell sie konnten, ohne dass Jeffrey tatsächlich gezwungen war, jemanden zu berühren, die Richtung zur Tür ein. Alice ging wild entschlossen voraus, und Peele folgte ihr wie ein Schatten. Ich trat ihnen in den Weg, und sie blieb abrupt stehen und starrte mich mit einem Ausdruck beleidigten Erstaunens an.
    »Das ist wirklich eine tolle Party«, stellte ich mit geradezu kindlicher Begeisterung fest.
    »Castor«, sagte

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