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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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als ich – sie stellte den Fuß darauf, damit sie nicht wieder hochkam. Ich sah zu Cheryl. Ich wollte etwas sagen wie ›Zur Hölle, das war heftig!‹. Aber dann sah ich, dass sie mir ins Gesicht starrte, daher hob ich eine Hand und berührte meine Wange, und sie war nass. Blut floss aus dem Schnitt. Spritzte auf das Arbeitsblatt, auf den Tisch und auf alles. Ich glaube, ich war für ein paar Sekunden ohnmächtig. Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich mich wieder setzte, und Peele – Jeffrey – war im Raum. Das passiert selten – wie ein königlicher Besuch. Alle schrien herum und erörterten, was zu tun sei. Alice meinte, sie wolle einen Notarzt rufen, aber ich sagte, ich sei in Ordnung und ginge nach Hause. Ich würde mir den Schnitt selbst bandagieren. Jeffrey fand das nicht gut, weil es vielleicht Schwierigkeiten mit der Versicherung geben könne, aber ich meinte, das sei Quatsch, und haute ab. Ich zitterte wie Espenlaub, und mir war schlecht – als müsste ich jeden Augenblick kotzen. Ich musste einfach raus. Am Montag wäre ich beinahe nicht zurückgekommen. Die Sache hat mich ziemlich erschüttert. Aber das ist mein Job, verdammt! Was sollte ich machen? Mich krankmelden, weil ich Angst vor Gespenstern habe?«
    Rich trank einen weiteren Schluck Lucozade und verzog das Gesicht.
    »Zu warm«, erklärte er wenig überzeugend, stellte die Flasche auf den Tisch und schob sie von sich weg.
    Ein paar Sekunden sagte ich nichts. Was er erzählt hatte, machte es einfacher, einige Dinge zu verstehen, aber es machte andere noch undurchsichtiger als zuvor.
    »Sind Sie Rechtshänder?«, fragte ich schließlich. Es war eigentlich keine Frage. Er hatte den Telefonhörer in der rechten Hand gehalten, als ich am Arbeitsraum vorbeigegangen war.
    »Ja, warum?«
    »Sie hielten die Schere in der linken Hand, denn Ihre linke Wange wurde verletzt.«
    Er sah mich an und war augenscheinlich beeindruckt.
    »Sie sind gut, nicht wahr? Ja, das hat mich am meisten angepisst, um ehrlich zu sein. Ich habe meine linke Hand benutzt, weil ich an der rechten schon einen dicken Verband hatte, weil ich sie mir ein paar Wochen vorher in der Schreibtischschublade eingeklemmt hatte. Es wurde gerade besser, und dann bekam ich diesen Schnitt im Gesicht. Jemand hat es anscheinend auf mich abgesehen.«
    »Die Schreibtischschublade. War das auch der Geist oder …?«
    Rich lachte spöttisch.
    »Das war ich ganz allein. Ich brauche keine Hilfe, um mich selbst zu verstümmeln. Ich bin Fachmann für Selbstverstümmelungen. Nur gut, dass ich der verdammte Ersthelfer hier bin.« Er hielt überrascht inne. »Allerdings – es ist etwa zur gleichen Zeit passiert. Vielleicht war sie es. Ich dachte, ich wäre nur ungeschickt gewesen.«
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder den Kästen auf dem Tisch zu.
    »Haben Sie seit August je daran gearbeitet?«, fragte ich.
    Er folgte meinem Blick und blies die Backen auf. »Hin und wieder«, entgegnete er und klang, als wollte er sich deshalb verteidigen. »Ich habe natürlich auch noch andere Dinge zu tun. Es ist eine Menge Material, das noch nicht sortiert ist. Es befand sich in einer privaten Sammlung drüben in Bishopsgate. Nun, so berichtet Jeffrey es gern. Aber ich war an dem Geschäft beteiligt, daher kann ich es für Sie übersetzen: Er meint, es stand unter irgendeinem Bett direkt neben dem Pisspott.«
    »Sie waren an dem Erwerb beteiligt?«
    »Ja, ich fand den Plunder und agierte als Vermittler. Ich darf keinen Finderlohn verlangen, weil ich hier angestellt bin – man kann nur dann einen Finderlohn zahlen, wenn ein Außenstehender etwas hierherbringt. Aber jedenfalls spielte ich den Makler und Übersetzer. Es war eine Abwechslung von der Routine, und als Belohnung darf ich jetzt die ganze verdammte Sammlung selbst katalogisieren, weil ich hier der Einzige bin, der Russisch beherrscht.«
    »Hat das Bonnington Sie deshalb angestellt?«, wollte ich wissen. »Als Sprachexperte?«
    »Ich nehme an, das spielte eine Rolle – aber meine klassische Ausbildung sprach für mich, nicht das Russisch und Tschechisch. Das Archiv bekommt massenweise Urkunden und Dokumente in mittelalterlichem Latein.« Rich nahm eine der Geburtstagskarten vom Tisch, klappte sie auf und las den Text. »Um ehrlich zu sein, ich habe nichts dagegen, so etwas zu machen, weil es mir ermöglicht, meine Sprachkenntnisse von Zeit zu Zeit aufzufrischen, damit ich nicht einroste. Normalerweise tue ich das während eines Auslandurlaubs,

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