Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
ging ich hinter der Tür in Stellung und wartete.
Schritte hallten hohl von den gefliesten Wänden draußen wider, kamen auf mich zu und stoppten dann. Stille setzte ein und dehnte sich quälend. Ich stellte mir vor, wie das Ding, was immer es war, im Korridor auf der anderen Seite der Tür stand, seine eigenen Sinne anstrengte, während es überlegte, ob ich mich für »Herren« oder für die weibliche Seite entschieden hatte.
Dann ging die Tür auf, und ich spannte mich, um anzugreifen, was immer in Sicht käme, wenn sich die Tür wieder schloss. Das Einzige, das mich stoppte, war ein Seufzen, das zugleich leidend und ein wenig enttäuscht klang.
»Castor.«
Auf dem falschen Fuß erwischt, ließ ich das Messer sinken. Juliet zog die Tür halb zu und starrte mich um die Kante herum an. Unter einem bodenlangen Mantel aus schwarzem Leder war sie in blutrote Seide gehüllt: eine Rose in einer geballten Faust. Im mittelalterlichen
Der Name der Rose
wurden Blumenmetaphern benutzt, um Schweinkram an den wachsamen Augen der Kirche vorbeizuschmuggeln. Ich dachte an sich öffnende Rosenknospen und musste mich mit Gewalt von gedanklichen Ausflügen abbringen, die zu viel Zeit in Anspruch nähmen und mich zu sehr aus dem Gleichgewicht brächten.
»Ich hab’s mir gedacht«, sagte Juliet.
Wie immer, wenn ich mir vorkam wie ein Idiot, ging ich in die Offensive. »Du hast es dir gedacht? Was ist mit deinem unfehlbaren Geruchssinn? Du hättest mich schon auf eine Meile Abstand kommen sehen müssen.«
»Hier sind zu viele andere Witterungen«, murmelte Juliet, schloss die Augen und atmete tief ein, als wollte sie ihre Feststellung unterstreichen. »Etwas anderes läuft in diesem Gebäude herum, und es ist viel größer und penetranter als du.«
»Ich vermute, das sollte ich als Kompliment verstehen.«
»Versteh es, wie du willst.« Ich erkannte plötzlich, dass sie total angespannt war. Die Muskeln an ihrem Hals zeichneten sich wie fein geflochtene Stricke unter ihrer Alabasterhaut ab, und ihre Haltung drückte wachsame Bereitschaft aus. Als ich sie das letzte Mal in diesem Zustand gesehen hatte, war sie hinter mir her gewesen. Was immer sie jetzt jagte, beides tat mir jetzt schon leid, ihr Ziel und jeder andere, der ihr in die Quere geriet.
»Wo sind sie?«, wollte ich von ihr wissen. Sie sah mich an, als sei sie überrascht, dass ich noch immer da war. »Die Geiseln«, präzisierte ich. »Und die Aufrührer.«
Juliet blickte zur Decke. »Da oben«, sagte sie. »Fast genau über uns.«
»Wie willst du vorgehen? Und was hast du hier überhaupt zu suchen? Hast du Susan Book in den Fernsehnachrichten gesehen?«
Sie schüttelte den Kopf und runzelte für einen kurzen Moment die Stirn, als ob ich sie beschuldigte, etwas andeutungsweise Unanständiges getan zu haben. »Nein«, sagte sie gepresst. »Aber wenn ich es hätte, dann wäre es eine noch klarere Bestätigung. Dies alles steht mit dem in Verbindung, was in St. Michael’s geschehen ist. Dessen bin ich mir sicher. Ich spüre hier das Gleiche wie dort – den Geruch, der verflog, als ich versuchte, mich auf ihn zu konzentrieren. Dieses Ding hat seine Deckung verlassen. Wenn ich nahe genug herankomme, werde ich es als das erkennen können, was es ist.«
Ich hatte einige Schwierigkeiten, diese Feststellung zu schlucken, aber ich wollte nicht mit ihr diskutieren. Tiefschürfende Gespräche auf der Toilette sind reine Frauensache.
»Sieh mal«, sagte ich, »wir haben nicht die geringste Ahnung, was hier vor sich geht.« Sie machte Anstalten, mich zu unterbrechen, aber ich redete weiter. »Alles, was wir wissen, ist, dass einige Leute im Obergeschoss diesen Laden auseinandernehmen und dass ihnen einige andere Leute in die Quere gekommen sind. Du könntest recht haben. Vielleicht gibt es etwas, das all dies in Gang gesetzt hat, und vielleicht ist es das Gleiche, das sich drüben in der Kirche festgesetzt hat. Das ist jedoch nicht von Bedeutung. Nun, da wir hier sind, sollten wir zusehen, dass wir unsere kleine Freundin aus der Schusslinie holen und schnellstens von hier verschwinden, ehe die Polizei anfängt, Tränengasgranaten zu werfen.«
Juliet schüttelte ungehalten den Kopf. »Ich will nur das Ding finden, das mich hergelockt hat. Das Ding, das ich rieche. Von mir aus rette Book, wenn du unbedingt willst. Ich wüsste nicht, inwiefern sie von Bedeutung sein sollte.«
»Sie ist in dich verliebt«, sagte ich.
»Wie bitte?«
»Nun, sie ist scharf auf dich, meine ich.
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