Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
dann nicht einen fähigen Privatdetektiv an? Weshalb kamen sie zu mir?«
Nicky wollte etwas sagen, öffnete bereits den Mund, dann blinzelte er irritiert und schloss ihn wieder.
»Siehst du? Es gibt jede Menge Leute, die viel eher in der Lage sind, jemanden aufzustöbern, der nicht gefunden werden will. Aber ihn zu finden, bedeutet nicht gleichzeitig, dass auch Abbie gefunden wird. Nein, um einen Geist zu suchen und zu finden, braucht man einen Exorzisten. Und genau das ist es, was sie wollen.«
Ich stand auf und geriet leicht ins Schwanken.
»Bist du etwa betrunken?«, fragte Nicky mit der selbstgerechten Strenge des überzeugten Abstinenzlers.
»Nein, ich glaube, ich habe mir irgendetwas eingefangen.«
»Das wundert mich kein bisschen bei all dem Mist, den du ständig in dich reinschüttest. Dein Körper mag kein Tempel sein, Castor, aber er ist auch kein Müllcontainer. Lass dir von mir gesagt sein, wenn du alt werden willst, dann musst …«
»Merk dir, was du sagen willst, und schick’s mir per E-Mail, Nicky. Ich bin jetzt nicht in der Stimmung. War es dir ernst mit dem Taxi?«
»Todernst.«
»Alter Phrasendrescher.«
»Ich find’s lustig.«
»Wie du meinst. Danke für deine Hilfe. Das Taxi geht auf mich.«
Ich legte zwei Zehner auf den Tisch und schlurfte zur Tür. In diesem Moment musste ich ausgesehen haben wie einer der untoten Gäste des Level. Auf jeden Fall fühlte ich mich so.
Als ich von der falschen Seite aufs Matts Wagen zuging, konnte ich sehen, wie gründlich die katholischen Werwölfe die Beifahrerseite demoliert hatten. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Es war eine schlechte Belohnung für das Vertrauen meines Bruders. Möglicherweise bekam er sogar Schwierigkeiten mit seiner Versicherung, wenn er mich als Fahrer nannte. Der einzige Trost war – für einen zutiefst religiösen Menschen –, dass ein solches Missgeschick als Prüfung Gottes betrachten werden konnte, die man bestehen musste.
Ich stieg ein und versuchte mich beim Fahren auf die vor mir liegende Straße zu konzentrieren, während schwarze Schleier mein Gesichtsfeld einengten. Was immer ich mir zugezogen hatte, schien sich noch zu verschlimmern, anstatt besser zu werden. Andererseits war es ein verdammt anstrengender Tag gewesen, was möglicherweise zur Folge hatte, dass ich nicht mehr hundertprozentig funktionierte.
Ich musste wirklich genau auf die Straße achten, aber meine Gedanken glitten immer wieder ab und kehrten zu dem zurück, was Nicky mir soeben erzählt hatte. Die kleine Abbie hatte in ihrem Leben sicher nicht sehr viel Glück gefunden, aber sie hatte verdammt viele Eltern. Zwei, die am Samstag gestorben waren; zwei weitere, die am Montagmorgen in meinem Büro erschienen waren – und eine fünfte Person, Dennis Peace, die zu keinem der Paare passte. Und dann waren da die Katholiken. Ich dachte an die Anathemata, die das Mädchen ebenfalls in ihre Gewalt bekommen wollte – und zwar um jeden Preis, wie es schien. Das Ganze kam mir vor wie ein kompliziertes Räderwerk, wie ein System kleiner Feuer, die hochzüngelten und größere Brände entfachten. Egal, was im Gange war, Abbie war der Schlüssel zu irgendetwas Großem. Dessen war ich mir absolut sicher. Unglücklicherweise war ich der Antwort auf die Frage, was dieses Große sein könnte, keinen Deut näher gekommen. »Jemand hat den Kreis nicht geschlossen«, hatte der Werwolf Zucker gesagt und amüsant mit den Metaphern herumjongliert, »und ein kleiner Vogel ist aus dem Nest geflüchtet«. Es klang immer noch wie totaler Unfug, egal von welcher Seite man es betrachtete, aber ich war plötzlich überzeugt, dass Abbie Torrington dieser kleine Vogel war. Sie musste vor etwas weggelaufen sein, das so schrecklich war, dass einen noch nicht einmal der Tod davon befreite.
Es war halb zwei, als ich den Wagen in Pens Zufahrt lenkte. Das Haus war dunkel, was jedoch nichts bedeutete, weil die Zimmer von Pens Souterrainwohnung zum Garten hinausgingen und nicht zur Straße. Ich hoffte, dass sie vielleicht noch wach war, damit wir wieder Frieden schließen und ein oder zwei Glas Brandy kippen konnten und ich ihr vielleicht ein wenig von dem erzählen konnte, was Nicky mir soeben aufgetischt hatte – um zu prüfen, ob ihre Leichtgläubigkeit noch elastischer war als meine.
Ich kriegte nicht die Chance, das herauszufinden. Ich hatte etwa drei Schritte in Richtung Tür gemacht, als auf der anderen Straßenseite Scheinwerfer aufflammten und mich festnagelten wie
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