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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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Mantel auf, dann öffnete er die obersten drei Knöpfe meines Hemdes und schlug es zurück. Er betrachtete mit einem Kopfnicken, was er dort vorfand.
    »Sie haben eine Infektion«, sagte er, und in seiner Stimme lag ein pfeifendes Echo, das klang wie eine verzerrte Elektrogitarre. »Ich werde …«
    Seine Stimme wurde zu einem Band aus Luft, eine schnelle Bewegung, die wie ein in Zeitlupe ablaufender Peitschenhieb von einem Ende zum anderen wanderte. Als sie das andere Ende erreichte, ging sie in totaler Stille unter.

    Ich erwachte nur halb. Mein Mund war so trocken, dass es sich anfühlte, als sei er voller Reißzwecken. Ich versuchte zu reden, und etwas Kaltes und Nasses wurde auf mein Gesicht gedrückt. Ich konnte meine Zunge damit in Berührung bringen und ein wenig von der Nässe aufnehmen. Der Schmerz ließ gnädigerweise nach, und ich tauchte sofort wieder ab.
    Das Nächste, was ich bewusst wahrnahm, war der
River Kwai Marsch
, der von einer Autohupe gespielt wurde. Ich dachte an den Text, der gerne dazu gesungen wurde, und fragte mich verträumt, wer damals wohl die Idee gehabt hatte, zu dichten, dass Hitler nur ein Ei hatte. Und weiter, wer nahe genug an ihn herangekommen war, um nachzuzählen?
    Dann stürmte von allen Seiten die Erinnerung auf mich ein, und ich richtete mich abrupt auf, als stünde ich unter einer starken Federspannung. Ich befand mich in meinem Zimmer, lag in meinem Bett, und das Fenster stand offen. Erschreckenderweise und völlig außerhalb jeder Ordnung war draußen der Abend angebrochen.
    »Scheiße!«, krächzte ich. »Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße!«
    Ich schleuderte die Bettdecke beiseite und stellte dabei fest, dass ich nackt und glitschig von kaltem Schweiß war. Mein Fieber war abgeklungen, während ich schlief, und jetzt fühlte ich mich schlapp, hatte aber einen weitgehend klaren Kopf. Klar genug, um mich zu erinnern … an irgendetwas. Irgendeine Erkenntnis hatte mich aus dem Nebel meines nur unzureichend funktionierenden Gehirns erreicht und mich kurz wie ein Scheinwerfer angestrahlt, ehe ich zusammenbrach. Noch war ich nicht wach genug, um mich genau zu erinnern, was es war.
    Juliet. Es war etwas, das mit Juliet und ihren Plänen für diesen Abend zu tun hatte. Aus irgendeinem Grund hatte ich ein Gefühl – nein, war ich absolut todsicher –, dass es keine gute Idee von ihr wäre, ihren Geist in die Mauern der Saint Michael’s Church zu schicken. Ich war mir nicht sicher weshalb, aber ich musste dort sein und sie daran hindern.
    Ich fand meine Kleidung säuberlich zusammengefaltet auf der Schubladenkommode direkt an der Zimmertür. Mein Mantel war über eine Stuhllehne drapiert. Mein Mobiltelefon steckte in der Tasche, aber als ich es einschalten wollte, stellte ich fest, dass der Akku leer war. Das war mein Berufsrisiko. Ich hatte mich erst spät mit dieser Technologie angefreundet und war von ihrem Wert nie ganz überzeugt gewesen. Ich drehte jede Tasche um, aber Matts Autoschlüssel blieb verschwunden.
    Ich schlüpfte in der Reihenfolge in meine Kleider, in der ich sie vom Stapel nahm. Ich brauchte dringend eine Dusche, aber dazu hatte ich jetzt keine Zeit. Ich stolperte die Treppe hinunter, wobei meine Beine noch immer ein wenig zitterten.
    Ich fand das Telefon in der Küche, desgleichen einen nicht sehr großen untersetzten Mann mit beachtlichem Bierbauch. Er saß am Küchentisch und blätterte in einer sehr alten
Cosmo
-Ausgabe, die er jedoch zuklappte, als ich hereinkam, und erhob sich. Er trug ein braunes Cordsakko, das ein wenig zerschlissen aussah, und eine Brille mit Kassengestell, die für sein rotes, pockennarbiges Gesicht nichts anderes tat, als seine uninteressantesten Teile zu vergrößern. Sein Schädel war kahl, aber um seine Ohren wucherten kleine Haarbüschel wie schüttere Sträucher auf trügerischem Geröll. Ich nickte ihm zu, aber mir ging zu viel durch den Kopf, um mich in ein belangloses Gespräch verwickeln zu lassen. Ich nahm den Hörer des Wandtelefons von der Gabel. Der Mann schaute aufmerksam zu, wie ich wählte.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragte er. Er hatte einen leichten schottischen Akzent.
    »Ganz gut«, antwortete ich. »Können Sie einen Moment warten?«
    Das Gemeinschaftstelefon im Frauenhaus klingelte zwei Dutzend Mal, ohne dass sich jemand meldete. Ich wollte schon aufgeben, als schließlich doch noch jemand den Hörer abnahm. »Hallo, hier ist Emma, wer bist du?« Die Stimme eines kleinen Mädchens mit der

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