Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
und auf der Suche nach einer Möglichkeit, seine Notdurft zu verrichten, aber ein zweiter, weniger oberflächlicher Blick schloss diese Möglichkeit mehr oder weniger aus. Die Flecken auf dem Regenmantel waren dunkel und unregelmäßig verteilt. Im schwachen Licht konnte ich mir nicht sicher sein, aber sie sahen aus wie Blut. Die eine Seite seines Schädels war eingedrückt, und einer seiner Arme hing nutzlos herab wie ein Pendel und schwang hin und her, als er von einem Fuß auf den anderen trat.
Ein Zombie – und dazu noch einer, der seinen sterblichen Überresten sehr viel weniger Aufmerksamkeit und Fürsorge gewidmet hatte, als Nicky es zu tun pflegte.
Irgendein Verdacht, den ich mir selbst nicht richtig erklären konnte, ließ mich die Richtung ändern und auf ihn zugehen. Vielleicht kam er mir von irgendwoher bekannt vor. Vielleicht wollte ich auch nur, dass er sich nicht hinter mir befand, während ich die Kirche betrat.
»Ist alles okay, Kumpel?«, fragte ich beiläufig, während ich mich ihm näherte. Ich suchte in meiner Tasche nach dem Myrtenzweig, aber ich fand ihn nicht. Ich musste ihn bei Imelda zurückgelassen haben, die ihn wahrscheinlich behandelt hatte wie eine tote Ratte: mit Kehrblech und Besen, die sie nachher sterilisiert haben dürfte, um jeden direkten Kontakt zu vermeiden.
Der Mann hob den Kopf, um mich mit dem einen Auge, das er noch übrig hatte, anzustarren. Er grinste auch, obgleich es durch das verfilzte Dickicht seines Bartes nur schwer zu erkennen war. Ja. Ich konnte ihn jetzt einordnen. Er war der Kerl in der Mall, der Juliet in die Brust geschossen hatte und den sie mit einem Tritt rückwärts durch ein Fenster befördert hatte. Seinem Aussehen nach zu urteilen hatte ihm diese Behandlung nicht besonders gutgetan.
»Wann wird es kommen?«, fragte mich der Mann. Seine Stimme klang leise und hatte einen abstoßend klebrigen Unterton. Er grinste und zeigte dabei zersplitterte Zähne, die an eine Bambusfallgrube erinnerten. »Wann wird es hier sein?«
»Verrate mir, was es ist, und ich nenne dir eine Ankunftszeit«, bot ich an. »Auf was wartest du?«
Er erschauerte. »Das Ding, das mich verschlungen hat«, murmelte er und ließ wieder den Kopf hängen. Nach längerem Schweigen fügte er, nur für sich selbst bestimmt, hinzu: »Sie muss beendet werden … Die Sache muss beendet werden. Kann mich nicht einfach … verschlingen und mich dann wieder ausspucken.«
Hin- und hergerissen zwischen Mitleid und Übelkeit, wandte ich mich wieder zur Kirchentür um. In diesem Moment griff er mich an.
Er war groß, und er war mir gewichtsmäßig überlegen. Er erwischte mich wie ein Elektrobus, schwerfällig und nicht besonders schnell, aber im Großen und Ganzen unmöglich zu stoppen. Als ich stürzte, landete er auf mir, griff mit klauenartig gekrümmten Fingern seiner heilen Hand nach mir und lachte kehlig, als sei das Ganze ein grandioser Witz.
Ich riss den Kopf hoch und rammte ihn gegen seine Nase. Ich hörte den Knochen mit einem matschigen Geräusch brechen wie faules Holz. Kein Blut strömte. Er hatte kein Herz mehr, womit es durch seinen Körper gepumpt wurde, und wahrscheinlich war es auch gar nicht mehr flüssig.
Er legte die Finger um meinen Hals und begann mich zu würgen. Sein Kopf kam mir entgegen. Sein Mund bewegte sich hektisch, als wollte er mich, während er mich tötete, gleichzeitig fressen. Der säuerliche Gestank seines verwesenden Fleisches legte sich auf meine Schleimhäute, und vor meinen Augen drehte sich alles. Allmählich geriet ich in Panik, wälzte mich auf die Seite und bohrte ihm meine Faust mit aller Kraft in die Magengrube. Er war zu schwer, als dass ich ihn hätte wegschieben können, und er reagierte gar nicht. Auch seine Nerven funktionierten nicht mehr.
Aber er hatte nur einen Arm, der noch funktionierte, und ich hatte beide Hände frei. Ich kam mir ziemlich mies vor, als ich nach seinem Gesicht tastete, während die Umgebung um mich herum verschwamm, und das andere Auge mit dem Daumen aus seiner Höhle drückte.
Er nahm ruckartig den Kopf zurück, schlug um sich. Um mich abzuwehren, doch es war zu spät. Ich zog beide Knie bis an die Brust und trat dann mit beiden Beinen zu, so dass er rückwärts gegen einen Grabstein flog. Dort blieb er wie ein Lumpenbündel liegen. Seine Finger krallten sich matt in sein Gesicht. Dabei jaulte er wie ein Tier. Krämpfe liefen durch seinen Körper, und seine Beine bewegten sich abwechselnd, als ob er glaubte, er
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