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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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mal hinlegen. Hatte gestern einen Scheißtag. Wurde in White City in einen Straßenkampf verwickelt, danach holten mich die Cops ab, damit ich den Hauptverdächtigen in ihrer Ermittlung spielen kann.«
    »Mein Gott, Fix!« Pen war sichtlich beunruhigt. »Was glauben sie, dass du getan hast?«
    »Mord.« Ich starrte auf den Fußboden und versuchte die Erinnerung an den eingetrockneten Blutspritzer und das Plastikschild – es glich einer Garderobenmarke –, das den Ort markierte, an dem Abbie Torrington gestorben war, zu verdrängen. Vergebliche Liebesmüh – es gelang mir nicht. »Sie glauben, ich hätte jemanden ermordet.«
    Stille setzte sein, die sich auszudehnen schien wie weißes Licht, bis sie den gesamten Raum ausfüllte. Mir war schwindelig, und ich trieb auf dieser weißen Woge zurück in die Bewusstlosigkeit. Ich hatte zu viel zu tun, daher wehrte ich mich gegen meinen eigenen Körper, und der Raum kam wieder in Sicht. Ich glaubte nicht, dass dieses stumme Geplänkel überhaupt Zeit in Anspruch genommen hatte, aber als ich den Kopf wieder hob, war Pen verschwunden.
    Samstag. Samstagabend. Etwas Großes, Bedeutendes, geschah – etwas, dessen Konturen ich zwischen den vielen verschiedenen Dingen, mit denen ich in Berührung gekommen war, nur ganz vage ausmachen konnte. Am Samstag wurden Stephen und Mel Torrington misshandelt und dann in ihrem eigenen Haus erschossen. Sie wehrten sich nicht. Sie versuchten nicht zu fliehen. Sie starben einfach. Später geschah das Gleiche mit Abbie – als Opferlamm bei irgendeiner Satanistenfeier. Dann, nachdem sie das Mädchen getötet hatten, kam jemand herein und beendete die Party mit einem Sturmgewehr, zielte jedoch nicht auf die Satanisten – zumindest nicht nach den ersten aufregenden Sekunden –, sondern auf den magischen Kreis, in dem immer noch Abbies sterbliche Hülle lag. War Dennis Peace dieser Besucher? War dies der Moment, in dem er Abbies Geist an sich nahm und in dem Glauben verschwand, sein Ziel erreicht zu haben? Und wenn er sie tatsächlich mitnahm, war es dann eine Entführung oder eine Rettungsaktion?
    Unterdessen wurde drei Meilen entfernt die Saint Michael’s Church von einem Wesen heimgesucht, das so mächtig war, dass allein nur in seine Nähe zu geraten Geist und Seele aller in dem Gebäude Anwesenden vergiftete und sie mit Mord und Totschlag gepflasterte Bahnen durch die Stadt ziehen ließ wie ein Bündel Klavierdraht durch einen reifen Weichkäse.
    Und noch etwas anderes war im Gange. Etwas, das mir entging.
    Pens Stimme, leise und drängend, erklang draußen im Flur. Keine andere Stimme, nur ihre. Ich wandte mich um und sah sie durch die Türöffnung am Fuß der Treppe stehen, ganz allein, und erregt und hektisch reden. Sie telefonierte natürlich mit ihrem Mobiltelefon, aber in diesem Moment kam es mir so vor, als stünde irgendeine spektrale Gestalt neben ihr, stumm und unsichtbar. Als ob sie sich im Himmel zurückmeldete, denn eine Lichtwolke umgab ihren Kopf wie ein Heiligenschein. Aber nein, es war nur das Sonnenlicht, das durch das Fenster über der Einganstür hereindrang. Es war ein wunderschöner Tag. Und schon spät. Sehr spät. Aber wenn das Sonnenlicht wüsste, worauf es hier fiel, würde es sich dann die Mühe dieser langen Reise machen?
    Pen kam ins Wohnzimmer zurück und blieb vor mir stehen. Sie wirkte unentschlossen. »Ich muss los, Fix«, sagte sie. »Rafi bekommt heute Vormittag zwecks Begutachtung und anschließender Voranhörung Besuch von einem Psychiater, und ich möchte nicht, dass er das allein durchstehen muss. Ich habe Dylan angerufen und ihn gebeten, nach dir zu schauen, aber er ist bereits im Dienst. Er schickt jedoch jemand anderen – einen Freund. Bleib einfach hier, bis er kommt, okay?«
    »Ja«, murmelte ich. »Ich gehe nirgendwohin. Ich komme schon zurecht.«
    »Na schön.« Sie ging auf die Knie herunter und umarmte mich unbeholfen. »Gute Besserung. Ich grüße Rafi von dir.«
    Und während sie sich wieder aufrichtete, schoss ein Gedanke kreuz und quer durch mein Gehirn auf der Suche nach einem intakten Neuron, an dem er andocken konnte. Pen redete immer noch, aber ich konnte bei dem Klingeln in meinen Ohren kein Wort verstehen.
    Ging es um Pen? Oder um Rafi? Ich sollte bei ihm sein. Ich war bei ihm gewesen. Das war das Problem. Deshalb befand er sich jetzt in diesem desolaten Zustand.
    Die Tür schlug und schreckte mich aus meinem Halbschlaf. Ich versuchte, mich aufzurichten, schaffte es jedoch nicht.

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