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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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ganze Reihe anderer preiswürdiger Akteure, aber Rosie war immer noch die erste und das Juwel in ihrer Krone: ein Geist, der nach mehr als fünfhundert Jahren immer noch auf der Erde existierte. Daher überwachte J-J jeden, der von Rosie kam oder zu ihr wollte mit misstrauischen Augen, die sich, wie Rosies, niemals schlossen.
    Ich klopfte an die Tür, und J-J blickte von einem dicken Stapel Papiere auf, die sie soeben bearbeitete. Sie reagierte mit einem Lächeln – ein strahlendes, bedeutungsloses Lächeln, das verkünden sollte, dass sie außer sich vor Freude war, mich zu sehen. Es vermittelte auch diesen Eindruck, aber ansonsten war es trotz der viel zu aufdringlich gezeigten Zähne eine einzige Lüge.
    »Felix«, sagte sie voller Wärme, stand auf und kam um den Schreibtisch herum. Ich bemühte mich, einen Hautkontakt zu vermeiden, aber davon wollte sie offenbar nichts wissen. Sie küsste mich nach Franzosenart auf die rechte Wange und sicherheitshalber auch gleich noch auf die linke. Das hatte zur Folge, dass ich mit Hilfe meines sechsten Sinns einen kurzen Blick in die Schlangengrube ihres Geistes werfen konnte. Das war etwas, worauf ich wirklich gerne verzichtet hätte.
    Jemand hatte mir mal erzählt, dass J-Js richtiger Name Müller und nicht Mulbridge laute und dass sie in den Ruinen der Stadt Essen zur Welt kam, während das Dritte Reich im Todeskampf die letzten Zuckungen vollführte. Wenn das stimmte, dann hatte sie die beste Imitation eines altmodischen, harmlosen, für die gehobene Mittelkasse oder den verarmten Adel typisch englischen Akzents, die ich je gehört hatte. Wie das Meiste an Jenna-Jane war auch dies eine Täuschung, die einen nahe genug an sie heranlocken sollte, damit sie mit dem Messer zustechen konnte.
    Sie hatte sich kein bisschen verändert. Sie war immer noch zierlich und adrett und alterslos reizend. Sie musste mittlerweile sechzig sein, aber ihr Körper hatte anscheinend entschieden, dass sie mit Mitte vierzig ganz gut aussah, und sich entsprechend gehalten. Ihr Haar war grau, aber das war es schon immer gewesen, und bei ihr schien es weniger ein Zeichen von Alter zu sein als vielmehr das, was man zu sehen bekam, wenn man von einem Schlachtschiff die Farbe abkratzte. Und wie bei einem Schlachtschiff war ihre äußere Hülle nichtssagend, glatt und undurchdringlich. Sie trug einen weißen Arztkittel, aber darunter sah ich Jeans und ein kariertes Hemd. J-J wusste, wie man sich in angemessene Schale warf, wenn man sich damit einen Vorteil verschaffen konnte. Die restliche Zeit war sie eine einfache Frau aus dem Volk.
    »Du kommst mich gar nicht besuchen«, sagte sie mit einem vorwurfsvollen Unterton. »Es müssen an die zwei Jahre sein.«
    Sie drückte mich in einer Weise auf einen Stuhl, der man unmöglich widerstehen konnte, und nahm dann auf der anderen Seite des Schreibtisches Platz. Sie benutzte gesellschaftliche Umgangsformen wie ein Ninjakämpfer. Die Begrüßung war freundlich und sehr persönlich gewesen, doch sobald ich mich hingesetzt hatte, war es gleichzeitig ein formeller Besuch, und sie konnte – bedauernd und sich wortreich entschuldigend – jederzeit auf die Vorschriften verweisen.
    »Ich war ein paarmal hier«, sagte ich, »aber du warst niemals anzutreffen.«
    Sie nickte, immer noch lächelnd. »Ja, das hörte ich. Ich fing schon an, mich zu fragen, ob du mir bewusst aus dem Weg gehst. Aber jetzt bist du hier.«
    Ja. Da war ich.
    »Und wie läuft es so?«, fragte ich, da ich der Meinung war, dass »Ich muss mit Rosie reden, also hallo und tschüs« ein wenig knapp gewesen wäre.
    Jenna-Jane zuckte bescheiden die Achseln. »Die Abteilung wächst ständig«, sagte sie. »Wir haben mittlerweile ein sehr gutes Expertenteam zusammen. Einige echte Überflieger, die ihr Studium auf den kontinentalen Universitäten absolviert haben und hierhergekommen sind, um in der Praxis Erfahrung zu sammeln. Ich glaube nicht, dass dir irgendwelche Namen bekannt sind, weil du dich eigentlich nie besonders für die Fachliteratur interessiert hast, aber glaub mir ruhig, wenn ich behaupte, dass es in Deutschland und Amerika Universitätsvertreter gibt, die Gift und Galle spucken, wenn sie meinen Namen hören.«
    »Das glaube ich dir glatt, J-J«, versicherte ich ihr und meinte es durchaus ernst.
    Sie verzog säuerlich das Gesicht.
    »Bitte, benutz diesen Spitznamen nicht, Felix«, sagte sie. »Du weißt, wie ich ihn finde. Also ja, hier läuft alles hervorragend. Das Team ist

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