Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
denen ein Kind in deinem Alter noch nichts wissen sollte, okay?«
Der Geist nickte langsam. Schlafen schicken? Das musste ich mir genau anschauen. Wenn Peace Geister sowohl aufrufen wie auch wegschicken konnte, und das ohne Risiko, sie vollständig zu exorzieren, dann hatte er von der Filigrantechnik meines Gewerbes mehr Ahnung, als ich je gehabt hatte. Ich erinnerte mich an die psychische Niederlage, die er mir bei meinem zweiten Versuch, mit Abbie Kontakt aufzunehmen, verpasst hatte. Vielleicht konnte ich von ihm noch etwas lernen – vorausgesetzt, er lebte lange genug, um es mir beizubringen.
»Wahrscheinlich hast du mittlerweile eine Menge über mich gehört«, sagte Peace, »und du kannst dich darauf verlassen, dass das Meiste davon stimmt. Es gibt auch noch Schlimmeres. Dinge, die niemals bekannt wurden, weil ich darauf geachtet habe, mit wem ich redete. Ich erspare dir die Einzelheiten, aber du weißt ja, wie so etwas ist. Ich meine, ich war ziemlich groß für mein Alter – mit fünfzehn schon größer als so mancher Erwachsene –, daher kam ich mit verdammt vielen Dingen sehr viel früher in Berührung und habe mir einige üble Sachen angewöhnt.
Ich will mich nicht mit faulen Entschuldigungen herausreden. Ich habe schlimme Dinge getan, weil ich dumm und unreif und mir eigentlich alles egal war. Wenn ich sage, dass ich zu jung war, macht mich das in meinen Augen nicht weniger schuldig, und ich wüsste nicht, weshalb du es anders sehen solltest.«
Peace zögerte, als läge ihm eine Enthüllung auf der Zunge, zu der er noch nicht vollkommen bereit war. »Ich bin kein Heiliger«, sagte ich zu ihm, um die Dinge zu beschleunigen. »Und ich bin auch nicht Ihr Beichtvater.«
Er nickte, aber die Pause dehnte sich noch ein wenig, ehe er weiterredete. »Es war so, dass ich mich auf alles einließ, nur um zu sehen, was ich herausholen konnte. Ich habe die Leute betrogen und ausgetrickst und mir nichts dabei gedacht, denn jeder, der nicht auf sich selbst aufpassen kann, hat es verdient, dass man ihn aufs Kreuz legt. So läuft es nun mal auf der Welt.
Ich musste etwa zwölf gewesen sein, als ich feststellte, dass ich eine spezielle Gabe habe. Ein Talent für den Exorzismus, meine ich. Ich hatte schon immer gespielt und gewettet – auf Pferde, Hunde, hab an Automaten gespielt –, aber mein Lieblingsspiel war Poker, und darin konnte mich niemand schlagen. Ich saß mit vier oder fünf Typen am Tisch, und ich sah sie an und dachte – ja, jetzt weiß ich, was du auf der Hand hast. Zweimal die Acht, nicht wahr, und du hoffst auf die dritte, die noch im Stapel liegt. Der dort hat einen König plus Bube und nur Dreier, und Mister Cool da drüben hat gar nichts, also kann ich gewinnen.
Aber nach einer Weile fand ich heraus, dass ich noch zu viel mehr fähig war. Anstatt nur die Karten zu erraten, die meine Gegner in der Hand hielten, begann ich die Personen selbst als Karten zu betrachten – als Kartenhand, als Kombination von Karten. Ob lebendig oder tot, es gab eine bestimmte Kartenfolge, die die jeweilige Person in meinen Gedanken darstellte. Das ist die Art und Weise, wie ich Geister binde – ich teile die entsprechenden Karten aus und mische sie dann wieder in den Kartenstapel. Und peng – schon sind sie verschwunden.
Wie ich vorhin sagte, war für mich alles nur ein Mittel zum Zweck. Ich habe Geister für Geld verbannt, klar – so wie ich um Geld gespielt habe. Und manchmal, wenn ich auf einen Geist traf, der noch frisch und mehr oder weniger ansprechbar war, versuchte ich, aus ihm herauszukitzeln, was er bei seinem Tod hinterlassen hatte und was ich mir holen könnte. Zum Beispiel wie seine Kontonummern lauteten oder ob er zu Hause irgendwelches Bargeld als Notvorrat für schlechte Zeiten versteckt hatte, von dem keiner seiner lebenden Angehörigen etwas wusste.«
Peace musterte mich eindringlich, was ich wahrscheinlich genauso mit ihm tat. »Ich habe damals niemanden ausgelassen«, sagte er. »Ob Mann, Frau oder Kind war mir völlig egal. Ich tat es wegen des Geldes, denn ich brauchte damals verdammt viel Geld, und ich tat es einfach so. Weil ich es konnte.«
Er schien auf eine Reaktion zu warten – vielleicht Entrüstung oder heftige Anschuldigungen –, aber nachdem ich mit Nicky über dieses Thema ausgiebig gesprochen hatte, gab es nicht mehr viel, womit er mich hätte überraschen können. Ich zuckte die Achseln. »Okay«, sagte ich, »Sie waren ein schlechter Mensch. Vielleicht sogar der
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