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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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hätte erwidern sollen.
    Webb erwartete auch keine Antwort. »Castor«, sagte er, »das bringt uns zu einem Gespräch, das wir ohnehin hätten führen müssen. Als wir Ditko aufnahmen, taten wir es in dem Glauben, dass wir ihm helfen könnten. Und das können wir nicht. Er braucht auf ihn abgestimmte Einrichtungen, die wir ihm nicht bieten können.«
    Ich blickte auf Pen hinab. Glücklicherweise hatte sie ihn nicht gehört. »Es gibt keine speziell abgestimmten Einrichtungen für das, worunter Rafi leidet«, erklärte ich, aber das war totaler Quatsch, und das wusste er. Es gab einfach keine, in denen ich ihn hätte unterbringen wollen.
    »Es gibt das MOU «, sagte Webb.
    »Rafi ist keine Laborratte.«
    »Er ist auch nicht geisteskrank. Er hat hier nichts verloren.«
    »Wir haben einen Vertrag«, spielte ich mein Ass aus.
    Webb übertrumpfte es. »Hinfällig, sobald das Wohlergehen von Personal und anderen Insassen in Mitleidenschaft gezogen wird«, zitierte er aus dem Gedächtnis. »Und ich glaube, das lässt sich wohl kaum bestreiten.«
    Ich zuckte die Achseln. »Dann lassen Sie uns reden.«
    Webb schüttelte den Kopf. »Nein. Treffen Sie gefälligst andere Arrangements, Castor. Sie haben achtundzwanzig Tage Zeit.«
    »Sie sind zu gütig, Webb«, meinte ich krächzend. »Sie müssen ein wenig härter werden, sonst fangen die Leute an, Sie auszunutzen.«
    Er bedachte mich mit einem strengen, herablassenden Blick. »Als wenn Sie das nicht schon längst versucht hätten«, sagte er eisig.

    Draußen stand eine Mondsichel wie ein Krummsäbel aus weißem Feuer am Himmel und verlieh allem das Aussehen einer Daguerreotypie. Ich nahm den Umweg durch den Rosengarten und genoss dessen Frieden und Stille. Letzteres war nur relativ. Aus dem Gebäude drangen noch immer einige Rufe und Schmerzenslaute, aber nach Rafis endlosem, qualvollem Nebelhorngebrüll kam es mir vor wie angenehme Stille. Rafi schlief jetzt, aber Pen würde vorerst niemanden an ihn heranlassen. Ich dachte, ich sollte ihnen eine halbe Stunde Zeit gönnen und dann wieder hineingehen und nachschauen, ob ich gebraucht wurde.
    Ich lehnte mich gegen die Sonnenuhr und blickte einen mit Rankengittern gesäumten Gartenweg hinunter, der von einem Baldachin duftender Blüten überdeckt wurde. Der Anblick an seinem Ende war wenig einladend: lediglich ein hoher Zaun mit einer nach innen geneigten Krone aus Stacheldraht und dahinter die sechs Fahrspuren der North Circular Road, wo sogar noch um diese Uhrzeit eine ständige Flut von Scheinwerferpaaren vorbeiströmte.
    Andere Arrangements. Es war für Webb sehr einfach, so etwas zu verlangen, vor allem wenn die Götter des Kleingedruckten eindeutig auf seiner Seite standen. Aber nicht so einfach in die Tat umzusetzen, es sei denn ich wählte den Weg, den Webb vorgeschlagen hatte, und überließ Rafi der liebevollen Obhut der Metamorphic Ontology Unit, kurz MOU , im Queen Mary’s Hospital in Paddington. Aber das wäre eine letzte, aus Verzweiflung geborene Lösung, und ich dachte nicht, dass wir schon so weit waren. Sosehr ich meine alte Sparringspartnerin Jenna-Jane Mulbridge auf rein intellektueller Ebene respektierte, wusste ich besser als jeder andere, dass sie einige Defizite hatte, was den Umgang mit Kranken betraf. Und dass ihr Herz und ihre menschlichen Gefühle unter irgendeiner Wegkreuzung für lange Zeit auf Eis gelegt worden waren.
    Während ich weiterhin die Sonnenuhr abstützte und die stimmungsvolle Ausgewogenheit des Ortes störte, kamen drei kleine Gestalten aus dem Gebüsch in etwa fünfzig Metern Entfernung und flitzten in absoluter Lautlosigkeit über den Rasen. Sie bewegten sich in Dreiecksformation, wobei die größte die Spitze bildete und die beiden anderen sie flankierten und ihr folgten. Auf der gegenüberliegenden Seite standen einige Bäume, aber Bäume hielten sie nicht auf. Sie rannten weiter und schlüpften mit ihren schlanken Körpern durch die Stämme, als wären sie kein Holz, sondern Luft. Als sie die Mauer erreichten, die das Stanger vom Coldfall Wood trennte, blieb das führende Mädchen – etwa dreizehn Jahre alt, oder zumindest war es so alt gewesen, als es starb – stehen und schaute zu mir herüber. Sie warf eine Flut aschblonden Haars mit einer anmutigen Kopfbewegung zurück und winkte mir. Ich winkte zurück. Dann wandte sie sich um und schritt durch die Mauer, die ihre beiden Gefährtinnen bereits überwunden hatten.
    Dies waren die Geister der kleinen Mädchen, die der

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