Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
allgemeine Verwirrung noch.
Es bei Rafi anzuwenden, war jedoch in jeder Hinsicht ein heikler Vorschlag. Er war kein Zombie, sondern ein ganz normaler lebendiger Mensch mit einem besonders hartnäckigen Passagier. Und wenn Asmodeus im Aufstieg begriffen war, dann war schon eine geballte Ladung nötig, um ihn zu bremsen, was sicherlich zur Folge hätte, dass die Nebenwirkungen schmerzhafter und extremer wären. Einige könnten sogar permanente Schäden verursachen.
»Lassen Sie mich erst einmal reingehen«, schlug ich vor. »Vielleicht kann ich ihn mit meiner Musik beruhigen.«
Webb schnaufte und keuchte, aber im Gegensatz zum großen bösen Wolf wollte er um jeden Preis vermeiden, dass sein Haus umgeblasen wurde. Er suchte einen Ausweg aus diesem Dilemma, der ihn nur einen Minimalschaden an Leben und Besitz kosten würde – vor allem an Besitz –, und war vernünftig genug zu erkennen, dass ich ihm diesen Ausweg bieten konnte. Immerhin war es nicht das erste Mal, dass Rafi Ärger machte. Ich hatte meine Nützlichkeit schon früher mehrmals unter Beweis gestellt. »Ich trage für Sie und Ihre Sicherheit keinerlei Verantwortung«, erinnerte er mich. »Sie haben eine entsprechende Erklärung unterschrieben, und die habe ich immer noch in den Akten. Sie gehen auf eigene Gefahr dort hinein, und wenn Ihnen irgendetwas zustößt …«
»… erklären Sie, von meinen Aktivitäten nichts gewusst zu haben«, beendete ich den Satz und nickte. »Und Sie stecken auch keinen Penny in die Sammelbüchse. Tun wir einfach so, als hätte ich den ganzen Mist durchgelesen, okay?«
Ich machte kehrt und steuerte auf Rafis Zelle zu.
»Ich komme mit«, rief Pen und drängte sich zwischen den beiden Pflegern hindurch, die nicht mehr ganz sicher waren, wie ihr Auftrag eigentlich lautete. Ich hob eine Hand, um sie aufzuhalten. »Lieber nicht, Pen«, murmelte ich. »Asmodeus braucht mich lebend, und das ist das Einzige, was mir hier helfen kann. Wie du schon sagtest, es ist nicht Rafi. Er wird sich nicht zurückhalten, wenn er dich sieht. Vielleicht greift er dich sogar aus purer Bosheit an.«
Sie zögerte, da sie von meinen Argumenten nicht ganz überzeugt war. Ich ließ sie stehen und ging weiter in der Hoffnung, dass sie zur Vernunft kam. Es hatte wirklich keinen Sinn, jetzt darüber zu diskutieren, während ich beobachten konnte, wie Webb offenbar im Begriff war, sich zu einem Gasangriff durchzuringen. Ich klopfte flüchtig an die Tür, als ich hindurchging. Es wäre wahrscheinlich sicherer gewesen, erst mal einen Blick durch die Türöffnung zu werfen, aber ich musste ohnehin hineingehen. Auf diese Art und Weise tat ich es mit einem gewissen Schwung, selbst wenn ich gleich wieder herausflöge und auf dem Hintern landete und mein Kopf mir separat folgte.
Die Schwelle zu überschreiten bedeutete, von weichem Teppichboden auf nacktes Metall zu treten – genauer, auf eine Legierung von Stahl und Silber im Mischungsverhältnis von zehn zu eins. Sie befand sich auch hinter den Gipskartonplatten der Wände und schien an ein paar Stellen durch, wo Rafi den Gips mit der Faust in einem Wutanfall durchlöchert hatte. Meine Schritte hallten dumpf auf der Metallplatte und kündigten mein Erscheinen weitaus nachdrücklicher an als das Klopfen. Doch Rafi schien mich überhaupt nicht zu bemerken. Er befand sich auf der anderen Seite der Zelle und bearbeitete eine längliche Form auf dem Fußboden mit Fußtritten. Nicht die Krankenschwester, Gott sei Dank, sie lag reglos gleich hinter der Tür auf dem Boden. Blut sickerte in einem dünnen Faden über ihre Stirn, und ihre Augen waren geschlossen. Was Rafi soeben zerstörte, war der Medizinwagen. Pillen in hundert Partyfarben waren auf dem Boden verstreut und knirschten bei jedem Schritt unter meinen Schuhsohlen.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Pen in die Hocke ging, um den Puls der Krankenschwester zu prüfen. Ich holte die Tin Whistle aus der Tasche und setzte sie an die Lippen, doch ehe ich einen Ton spielen konnte, legte Rafi den Kopf in den Nacken und stieß einen qualvollen Schrei aus. Er reckte beide Hände in die Höhe und schlug sich dann mit geballten Fäusten gegen die Stirn, während er krampfartig zuckend hin und her schwankte. Dann, mit einem kehligen Fauchen, fuhr er mit den Händen vom Haaransatz bis hinab zum Kinn und grub dabei die Fingernägel so tief ein, dass er schließlich aus acht parallelen Risswunden blutete.
Ich musste ihm sofort in die Parade fahren. Ich legte die
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