Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
auch mit Doktor Webb angelegt.« Er grinste boshaft. »Das war der Höhepunkt des ganzen verdammten Tags. Ehrlich.«
»Ja, Pen ist etwas ganz Besonderes«, pflichtete ich ihm bei. »Aber sie gehört nicht zu mir. Ich meine, sie ist wirklich nur eine gute Freundin.« Eine ganze Flut von Erinnerungen brandete in den weniger häufig frequentierten Bereichen meines Geistes hoch. Ich drängte sie gleich wieder zurück. »Sie ist – sie und Rafi waren mal – zusammen. Als wir alle auf der Universität waren, waren sie …« Ich suchte nach einer Formulierung, die Pens und Rafis Beziehung genau beschrieb, aber es gab keine. »… so etwas wie ein Paar«, endete ich lahm. »Aber es war nicht von Dauer. Rafi war eher der Typ, der von einer zur anderen zog.«
Für einige Sekunden schwiegen wir.
»Er war mein bester Freund«, fuhr ich fort und war mir dabei im Klaren, wie bizarr und krank das alles klingen musste. »Pens auch, vor und nach ihrer Affäre. Alle mochten ihn. Sie hätten ihn sicherlich auch gemocht, wenn Sie ihn damals getroffen hätten.«
»Wenn ich ihn getroffen hätte?« Pauls Worte klangen gequält.
»Sie wissen, was ich meine.«
»Ja«, gab er zu. »Ich denke schon. Irgendwie. Aber ich habe Sie das immer schon mal fragen wollen. Was genau ist dieses Ding in ihm?«
»Asmodeus. Ein Dämon. Und zwar ein verdammt großer. Es gibt sehr viel Literatur zu diesem Thema, und darin steht …«
»Literatur?« Paul schüttelte den Kopf und überlegte. »Was, wie
The Lancet
? Oder
Scientific American
?«
»Nicht ganz, nein. Ich rede von Büchern, die vor fünfhundert Jahren von teppichfressenden Naturphilosophen geschrieben wurden. Zauberbücher. Bücher über Magie. Wie dem auch sei, sie platzierten Asmodeus ziemlich weit oben an der Spitze der höllischen Hackordnung. Er ist jemand, dem man lieber nicht ins Gehege kommen sollte. Aber Rafi hat genau das getan. Er hat vor zwei Jahren versucht, Asmodeus heraufzubeschwören. Ich glaube, er wollte so etwas wie eine Faust-Nummer versuchen, sich verbotenes Wissen aus der Zeit aneignen, ehe die Welt erschaffen wurde. So funktionierte es jedoch nicht. Irgendwie ist es Asmodeus gelungen, in ihn einzudringen und ihn von innen heraus zu verbrennen.«
Die Worte, so banal und todernst sie auch klangen, weckten eine ganze Reihe unzusammenhängender Eindrücke in meinem Geist – einige entscheidende Teile einer Nacht, die ich noch immer nicht vergessen konnte. Auf Grund der Art und Weise, wie mein Geist funktioniert, waren es vorwiegend Laute und Geräusche, die mir im Gedächtnis geblieben waren. Rafis Atmen, zum Beispiel, rau und flach und mit zunehmend längeren Pausen zwischen den Atemzügen. Das klirrende Gelächter, das aus seiner Kehle drang und hervorbrach wie Blut aus dem nachtschwarzen Abgrund, der sich zeigte, sobald er den Mund öffnete. Das endlose Blubbern und Zischen von siedendem Wasser. Wir hatten Rafi in eine Badewanne voller Eis gelegt, weil Teile seiner Haut sich von rot zu schwarz verfärbten, aber nach ungefähr einer Minute war das Eis zu Wasser geschmolzen, und dieses Wasser siedete sprudelnd wie in einem Hexenkessel.
»Sie waren dabei?«, fragte Paul und klang – höflich ausgedrückt – ein wenig skeptisch.
Nicht nur die Cops tun es. Jeder zieht früher oder später seine Grenzen, und sobald sie gezogen wurden, ist es verdammt schwierig, sie zu verändern oder zu überschreiten.
»Seine Freundin rief mich mitten in der Nacht an. Sie hatte gehört, wie er meinen Namen nannte, und es klang wie seine eigene Stimme, nicht wie die Stimme dieses Dings in ihm, daher suchte sie meine Telefonnummer und fand sie hinten in seinem Tagebuch. Als ich dort eintraf, sah es aus, als wäre ich bereits zu spät gekommen, aber ich habe es trotzdem versucht.«
»Was genau haben Sie versucht?«
»Ich habe ihm eine Melodie vorgespielt.«
Paul nickte. Ich hatte ihm bereits bei ein paar Gläsern Bier erzählt, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene und wie diese Tätigkeit aussieht. »Sehen Sie«, fuhr ich zögernd fort, »ich dachte, in ihm stecke ein
menschliches
Wesen. Ein Geist. Ich war damals noch nie einem Dämon begegnet. Daher lauschte ich nach einem menschlichen Geist, und als ich ihn fand, begann ich für ihn zu spielen. Dann, nach etwa zehn Minuten, erkannte ich, dass das, was ich rief, Rafis eigene Seele war. Ich trennte ihn von seinem Körper – vollendete sozusagen, was Asmodeus begonnen hatte. Ich versuchte, den Schaden, den ich angerichtet
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