Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
und zogen Abbie auf, als sei sie ihr Kind. Ich traf in Rio einen alten Kumpel und erfuhr von ihm die ganze Geschichte, und ich dachte, dass sich sicherlich der Versuch lohnen würde, ihnen ein wenig harte Währung aus der Tasche zu ziehen. Das war damals alles, was Abbie für mich bedeutete, Castor. Sie war lediglich ein verdammtes Lotterielos.«
»Bis Sie mit ihr zusammentrafen.«
»Bis ich mit ihr zusammentraf. Ja. Damals war es mir nicht klar, aber mich auf den Prozess einzulassen, bedeutete, dass ich mich mit allen möglichen Dingen herumschlagen musste, die ich nicht umgehen konnte. Eidesstattliche Aussagen, prozessuale Eingaben und Anträge, Gott weiß was alles. Wenn ich gewusst hätte, wie viel Zeit mich das Ganze kosten würde, hätte ich niemals damit angefangen.
Aber wie dem auch sei, dazu gehörten auch persönliche Treffen. Treffen, die dokumentiert werden mussten, weil man zuerst mal an Güteterminen teilnehmen muss, ehe man vor Gericht gehen kann. Und da war sie. Mel redete in einem fort, wie immer, und Abbie saß einfach da und sah so traurig und verloren aus. Als befände sie sich in einer dunklen, einsamen Straße und wartete auf den Bus und als hätte sie ihr ganzes bisheriges Leben lang nichts anderes getan.«
Peace starrte mich gequält an. Kein Wunder, dass er sich so locker über seine Jugendsünden geäußert hatte. Diese Sache lastete wirklich auf seinem Gewissen, und sie musste ihn von innen aufgefressen haben.
»Ich fing an, mit ihr zu reden. Teils weil ich sehen wollte, ob ich sie aufmuntern könnte, teils weil ich Mel damit richtig wütend machte. Ich kaufte ihr das Medaillon und ein paar andere Dinge und erzählte ihr irgendwelchen Blödsinn, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiente.
Und ich begann mich zu fragen – wenn Mel zu ihr so verdammt kalt war und sie noch nicht einmal Fankes Kind war, weshalb behielten sie sie dann? Etwa nur wegen dieser Grenzüberschreitung? Weil Mel es geschafft hatte, ein Baby in etwas Obszönes und Abnormes zu verwandeln? War Abbie so etwas wie eine Trophäe? Irgendwie ergab es für mich keinen Sinn.
Da war ich nun, in einer fremden Stadt, zum Bleiben verdammt durch diesen bescheuerten Gerichtsprozess, den ich noch nicht einmal gewinnen wollte – den ich nur vom Zaun gebrochen hatte, um Fanke dazu zu bringen, mir einen Haufen Geld zu zahlen, damit ich wieder verschwinde. Ich hatte alle Zeit der Welt und nichts zu tun. Daher begann ich, ein wenig zu graben.
Die Satanistenkirche ist da drüben eine ganz große Sache. Sie hat ihre eigene Website, ihre eigenen Buchläden, T-Shirts, Autoaufkleber, alles, was dazugehört. BITTE HUPEN , WENN AUCH SIE DEN LICHTBRINGER GESEHEN HABEN . Verdammte Idioten. Es gab jede Menge, und es war nicht schwer zu finden.
Auf der Website fanden sich Links zu Artikeln, die Fanke geschrieben hatte. Zu Reden, die er gehalten hatte. Alles war öffentlich zugänglich – er versteckte nichts. Er äußerte sich noch immer über Opfer-Farmen und die Zauberbuch-Tradition und darüber, weshalb mittelalterliche Alchimisten allesamt auf dem Holzweg waren. Sicher, sagte er, sie haben es geschafft, Kommunikationswege mit den Dämonen zu öffnen, und die Dämonen lieferten ihnen alles, was sie brauchten, um diesen ersten Kontakt zu einer ernsthaften, regelmäßigen Verbindung auszubauen. Nur verstanden sie die Details völlig falsch. Es war, laut Fanke, eine Kommunikationsstörung. Dämonen beherrschen alle Sprachen, die Menschen sprechen und je gesprochen haben und jemals sprechen werden, aber nicht fließend. Deshalb hörte man von ihnen ständig den gleichen Verkäuferjargon: Man könne die ganz Bösen aus der Hölle rufen, man könne in einer neuen Weltordnung ganz oben stehen und so weiter. Sie diktierten, was zu tun sei, verdammt noch mal. Aber diese Figuren aus dem Mittelalter – diese coolen Faust-Typen – sie lägen völlig daneben.
Sie seien alle auf dem falschen Dampfer, sagte Fanke. In all den Dingen, die wirklich wichtig seien, sowieso. Und wo sie total danebenlägen – im wichtigsten Punkt, der die ganze Geschichte erst richtig in Gang setzte –, das sei dieses Opferkonzept. Albertus Magnus äußerte sich ausführlich zu Böcken, die absolut makellos sein müssten, und Giordano Bruno widmete ein ganzes Kapitel den Fragen, ob man das Opfertier trägt oder an einem Strick zum Altar führt und welche Farbe sein Fell haben sollte und was es gefressen haben sollte und was man mit seiner Scheiße tun müsse, falls es
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