Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
mir mehrmals einen Klaps und weckte mich. Das war ein Teil unseres üblichen Vorspiels, wenn wir Sex hatten. Doch dann änderte sie den gewohnten Ablauf. Sie stach sich in den Bauch und benutzte dafür einen affigen kleinen Silberdolch, dessen Klinge von oben bis unten mit Runen beschriftet war, und dann verlangte sie von mir, dass ich diese Wunde benutze anstatt den normalen Weg.
Ich meinte, dass sie auf diese Art und Weise niemals schwanger werden könne. Es sei nicht grenzüberschreitend, sondern ganz einfach blödsinnig und krank. Und es sei eine unglaubliche Schweinerei. Das war ihr egal. Sie wolle es so. Sie wolle es mehr als alles, was sie je gewollt hatte.
Und sobald wir fertig waren, ging sie schwankend zur Tür und öffnete sie, und herein kam Fanke mit zwei Typen in weißen Arztkitteln. Sie brachten Mel weg, und Fanke meinte zu mir, ich könne gehen. Einfach so. Genau genommen war es eher wie auf die Plätze, fertig, los. Er meinte, er habe seinen Schutz von mir abgezogen. Die Cops suchten mich als Kautionsschuldner, und ich sollte lieber zusehen, dass ich das Land schnellstens verlasse, sonst müsste ich meine Strafe ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung im Maison d’Arrêt absitzen.«
Peace hob die Hand, in der das goldene Medaillon matt glänzte. Er ließ den Verschluss auf- und zuschnappen, ein nervöser Tic, den ich, wie mir plötzlich bewusst wurde, schon vorher mehrmals bei ihm beobachtet hatte, während er redete.
»Also ging ich«, sagte er ohne sicht- oder hörbare Gefühlsregung. »Wie sind wir in der Zeit, Castor?«
»Wir haben noch eine Weile. Peace, soll das heißen, dass Abbie auf diese Art und Weise …?«
Ich ließ die Frage offen. Er nickte langsam.
»Damals hatte ich noch keine Ahnung. Sie feuerten die Startpistole ab, und ich rannte los. Aber ich will mir nichts vormachen. Ich wäre auch abgehauen, wenn ich gewusst hätte, dass Mel schwanger war. Ich bin nicht gerade der fürsorgliche Typ.«
Peaces Stimme bekam jetzt einen hektischen Klang, und sein Gesicht spannte sich wie die Leinwand auf einem Bilderrahmen. Es war ein erschreckender Anblick. Fast war es so, als löste er sich bei diesem kathartischen Selbstbezichtigungsprozess schrittweise auf, so dass er sein Ende im gleichen Moment fand, in dem er seine Geschichte abschloss. Ich versuchte erneut – zum letzten Mal – diesen Vorgang zu stoppen.
»Peace«, sagte ich, »den Rest kann ich mir selbst zusammenreimen. Versuchen Sie jetzt zu schlafen. Ich wecke Sie, wenn Sie Ihre Medizin nehmen müssen.«
»Bilde dir bloß nichts ein, Castor«, murmelte Peace. »Du hast nicht die leiseste Ahnung. Hör einfach zu, und danach kannst du reden, okay?«
Ich hob die Hände in einer beschwichtigenden Geste. »Okay. Okay, aber ich war auch nicht untätig, wissen Sie. Lassen Sie mich wenigstens erzählen, was ich bereits herausgefunden habe – dann können Sie sich ein wenig von Ihrem wertvollen Atem für etwas anderes aufsparen.«
Er verdrehte ungeduldig die Augen, aber ich hatte bereits begonnen. »Irgendwann haben Sie erfahren, dass Sie ein Kind hatten«, sagte ich. »Und vielleicht wurde Ihre Neugier geweckt. Sie haben Melanie in New York aufgestöbert und sind hingereist, um sie zu besuchen. Abbie dürfte damals acht Jahre alt gewesen sein. Sie trafen sie, lernten sie kennen und –«, jetzt musste ich raten, hatte jedoch das Gefühl, richtigzuliegen, »– und machten ihr ein Geschenk. Das Medaillon.«
Peace knurrte ungehalten. »Erstaunlich, was Sie alles wissen, Holmes. Jetzt brauchen Sie mir noch zu erzählen, welche Kleidung ich getragen habe.«
»Ich vermute, das war das erste Engagement, aus dem Sie nicht so leicht aussteigen konnten, wie Sie eingestiegen sind«, sagte ich, ohne auf seine spöttische Bitte einzugehen. »Am Ende haben Sie vor Gericht um Abbie gekämpft. Sie wollten ihr Vater sein und nicht nur der Erzeugername auf ihrer Geburtsurkunde.«
Ich hielt inne, weil er ungeduldig mit der Hand hin und her wedelte, um mich zu stoppen. »Ich sagte doch, du hast nicht die geringste Ahnung«, meinte er schwer atmend. »Diese Gerichtssache war nur ein weiterer Schwindel. Mel war noch immer mit Fanke zusammen, und Fanke war damals eine ganz große Nummer und dazu noch Multimillionär. Er hatte die First Satanist Church von Amerika gegründet – er war ein Guru, wie Maharishi, mit Steuervergünstigungen und Limousinen mit Chauffeur und allem Mist, der dazugehörte. Und er und Mel lebten wie ein Ehepaar zusammen
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