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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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die reinste Folter sein. Fließendes Wasser ist für Werwesen so etwas wie ein intravenöses Säurebad, und sie ließen es stoisch ruhig über sich ergehen.
    Nun, nicht ganz stoisch ruhig. Ich bemerkte, wie sich Pos Klauen in den Kunststoff der Antirutschmatten auf dem Wagenboden krallten und ihn zerfetzten. Er hatte den Kopf gesenkt, sein Atem kam in kurzen, harten Stößen. Zucker lehnte sich an die Bahre, hatte die Augen geschlossen und einen glänzenden Schweißfilm auf dem bleichen Gesicht.
    Dies wäre eine gute Gelegenheit gewesen, eine tollkühne Flucht zu versuchen, aber der Bursche, der sich als Sallis vorgestellt hatte, war sich dessen genauso bewusst wie ich. Er rammte den Pistolenlauf zwischen meine Schulterblätter und behielt ihn dort, bis Zucker wieder auf dem Damm war. Ob es mir gefiel oder nicht, ich musste die Fahrt bis zum Ende mitmachen.
    Ein paar Sekunden später ging es abrupt abwärts, begleitet von einer heftigen Erschütterung, da die Federung mit dieser Belastung nicht richtig fertig wurde, dann rumpelten wir über einige nicht passgenau eingesetzte Stahlgitter, die unter unseren Rädern quiekten wie ein Käfig voller Ratten, und kamen zum Stillstand. Zucker stieß die Türen auf. Er stieg als Erster aus, und das solide Geräusch, als er die Füße draußen auf den Boden setzte, hatte ein seltsames Echo. Die Dunkelheit war undurchdringlich. Po raffte sich auf und wälzte sich mit gespenstischer, lautloser Eleganz hinaus in die Nacht, dann drehte er sich um und sah mich an. Sallis wedelte mit der Pistole und teilte mir auf diese Weise mit, dass ich als Nächster dran sei.
    Ich stieg aus dem Krankenwagen und schaute mich um. Meine Nachtsicht reichte noch nicht aus, um zu erkennen, in was ich stand, aber da war wieder dieses Echo von irgendwo aus nächster Nähe. Jedes Füßescharren auf Zement, jedes Knacken und Knarren aus dem Motor des Krankenwagens, der in der nächtlichen Kälte schnell abkühlte, hatte einen aufmerksamen Zwilling, der aus der Dunkelheit kam und sich mit ihm vereinte.
    Ein Rechteck schmuddelig gelben Lichts öffnete sich vor uns, und mit seiner Hilfe konnte ich erkennen, was ich längst vermutet hatte. Wir befanden uns in einem düsteren Raum, der in seiner Ausdehnung enorm war, gleichzeitig jedoch so niedrig wie die Katakombe einer Kirche. Weiße Linien auf dem Boden, parallel verlaufend und mit jeweils gleichem Abstand, verrieten noch mehr. Es war keine unterirdische Kirche, sondern eine Tiefgarage. »Schafft ihn rein«, sagte eine kalte Stimme, die so tot und tonlos war, dass sie kaum ein Echo hervorrief. Eine Hand – wahrscheinlich Sallis’ – packte meine Schulter von hinten, und ich wurde nach vorn gestoßen, während Zucker und Po mich in die Mitte nahmen.
    Wir gingen durch eine Tür in ein Treppenhaus mit kahlen Betonwänden. Pater Gwillam schloss, wie ich erkennen konnte, eine Feuerschutztür und schob mit einiger Mühe, wie ich seinem gepressten Seufzer entnehmen konnte, den Riegel wieder vor. Dann drehte er sich zu mir um.
    »Schön, Sie wiederzusehen, Castor«, murmelte er. »Endlich auf der Seite der Engel.«
    »Noch bin ich unentschieden«, bremste ich ihn.
    Gwillam lächelte – ein kurzes Aufflackern von Ausdruck, der in seinem von jeglichen Empfindungen freien Gesicht keinen Halt fand und gleich wieder verflog – und nickte. »Alles ist oben vorbereitet«, sagte er zu unserer Gruppe allgemein. Es war eine Bemerkung, die mir nicht sehr gefiel, aber meine persönliche Ehrenwache nahm mich wieder in ihre Mitte, während Gwillam die Treppe hinaufstieg, daher hatte ich kaum eine andere Wahl, als ihm zu folgen.
    Ich suchte nach Hinweisen, wo wir waren. In der Nähe der Themse, das wusste ich, aber wo hatten wir sie überquert? Sicher nicht so weit im Osten wie in Rotherite, oder? Auf jeden Fall war ich mir ziemlich sicher, dass ich den veränderten Motorenlärm gehört hätte, wenn wir durch den Tunnel gefahren wären. Aber vielleicht waren wir nach Westen gefahren. Eine letzte Sicherheit gab es nicht. Grob geschätzt konnten wir überall zwischen Wapping und Kew sein.
    Aber als wir aus dem Treppenhaus in einen breiten, leicht geneigten Korridor mit blauem Teppichboden kamen, klingelte es bei mir. Ich war schon mal hier gewesen, und zwar vor langer Zeit. Ich erlebte ein kurzes Déjà-vu, das die vom Wahnsinn erfüllten starrenden Augen Nosferatus einschloss, und wusste es beinahe. Ein Kino? Hatten die Anathemata einen der stillgelegten Traumtempel Londons

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