Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
angekündigt und war vorauszusehen. Wir wurden nicht überrascht. Aber es gab in der Kirche einige, die wollten es nicht wahrhaben, obgleich sie es mit eigenen Augen sahen.«
Gwillam lächelte düster. Ich gewann den Eindruck, dass er sich an spezielle Unterhaltungen, an spezielle Auseinandersetzungen über Aktionen und Grundeinstellungen erinnerte. »Sie vergaßen ihre Pflicht, Vorbilder zu sein«, sagte er sanft. »Sie ließen sich durch die Annehmlichkeiten der Welt einlullen und vergaßen, dass die Welt immer und in alle Ewigkeit eine Schmiede ist. Man sitzt nicht gemütlich am Feuer Gottes. Man wird hineingeworfen, wird dadurch geformt und gefestigt.
Offenbar denken Sie, Castor, dass es zwischen unserem Kampf und den Waffen, die wir benutzen, einen Widerspruch gibt. Wir kämpfen gegen die Dämonen, die man als Generäle des Satans betrachten kann, und wir bedienen uns der Waffen, die Gott in unsere Hände legt. Wenn gläubige Katholiken von den Toten auferstehen, nicht weil sie mit dem Bösen konspiriert haben, sondern weil sich die Verhaltensregeln geändert haben, zeigen wir ihnen nicht die kalte Schulter. Po und Zucker haben sehr gelitten, und sie haben damit sehr viel Gutes erreicht. Sie gehören zu meinen vertrauenswürdigsten Offizieren.«
Er zählte die Gegenstände auf dem Tisch durch, deutete dabei mit dem Zeigefinger auf jeden, als wollte er sich vergewissern, dass er alles zur Verfügung hatte, was er brauchte. Dann nickte er zufrieden und fixierte mich wieder.
»Wo ist Abbie Torrington?«, fragte er mich.
»In einem Leichenschauhaus der Polizei in Hendon.«
Gwillam blinzelte einmal, zweimal. »Ich meine nicht ihre Hülle«, sagte er mit einem Ausdruck, der der Beschreibung »verärgert« näher kam als alles, was ich je bei ihm erlebt hatte. »Ich meine ihr wahres Ich. Ihren Geist. Was zumindest Ihnen von allen Leuten klar sein müsste.«
Mir von allen Leuten? Ich schenkte mir einen Kommentar dazu.
»Ihre Seele befindet sich in einem geschlossenen Behältnis«, sagte ich. »Einem Behältnis aus Gold. Geformt wie ein Herz. Ihr Vater nahm es von ihrem Hals, kurz nachdem sie gestorben war. Ich denke, es enthält eine Haarsträhne von ihr, und dass sie sich daran klammert. Und dieses Herz hat Fanke jetzt. Er hat es von Peaces Leiche mitgehen lassen, nachdem er ihn im Oriflamme tötete.«
»Und wo ist Fanke?«
»Das weiß ich nicht. Gwillam, wenn Sie erkennen können, dass Abbies Geist dasselbe ist wie ihre Seele, wie können Sie dann davon reden, ihn zu vernichten?«
Er hob die Augenbrauen. »Ist es nicht genau das, was wir tun?«, fragte er. »Ist das nicht genau die Macht, die uns gegeben wurde?«
»Wir?« Ich weiß nicht, warum es für mich ein Schock war, das zu hören. Es war doch ziemlich offensichtlich angesichts der Tatsache, dass die Anathemata ihn ausgewählt hatten, diese Mission durchzuführen. »Sie sind ein Exorzist?«
Er nickte kurz. »Auf diese Weise erfuhr ich, dass Gott mich auserwählt hatte, für sein Anliegen zu kämpfen.«
»Lustig«, sagte ich. »Für mich war es so, dass mir dadurch klar wurde, dass ich niemals beim Bau würde arbeiten müssen. Was benutzen Sie? Einen Splitter vom wahren Kreuz?«
Gwillam musterte mich nachdenklich. Seine Hand verschwand in seiner Brusttasche und kam mit einem kleinen, in Leder gebundenen Buch wieder zum Vorschein.
»Die Bibel«, sagte er. »Diese Bibel. Ich lese laut daraus vor – Worte und Sätze aus willkürlich ausgewählten Kapiteln. Die Worte Gottes bilden einen Käfig für die Seelen der Sünder – wie man eigentlich erwarten könnte.« Er legte das Buch beiseite. »Ich sagte es Ihnen schon, Castor. Ich bin ein Soldat. Wenn ich das Kind retten könnte, würde ich es tun. Aber das kann ich nicht, und ich werde nicht zulassen, dass Abbies Seele als Mechanismus dient, mit dessen Hilfe der mächtigste Vertreter der Hölle einen Weg auf die Welt findet. Das Ritual, das in diesem Fall angewendet wurde, verlangt das Opfer von Körper und Seele. Daher kann es ohne die Seele des Mädchens nicht vollendet werden. Ich frage Sie abermals, wo ist Fanke?«
»Ich habe nicht den blassesten Schimmer«, sagte ich. Es traf zu, jedenfalls im engeren Sinn. Ich wusste nicht, wo sich Fanke in genau diesem Moment befand. Ich war mir ziemlich sicher zu wissen, wo er in allernächster Zukunft auftauchen würde, aber dieses kleine Bonbon behielt ich für mich. Vielleicht stellte Gwillam meine beste Chance dar, Fankes Kreise zu stören und einen
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