Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

todernsten Tonfall.
    »Ich stehe lieber.«
    Gwillam seufzte und schürzte die Lippen, als begegnete er immer wieder diesem selbstsüchtigen und widerspenstigen Verhalten, ohne sich jedoch jemals daran gewöhnen zu können.
    »Wenn Sie stehenbleiben«, erklärte er geduldig, »können Zucker und Sallis Sie nicht an den Stuhl fesseln.«
    »Genau das denke ich auch«, pflichtete ich ihm bei.
    »Und ich möchte, dass Sie an den Stuhl gefesselt sind, denn das macht einige Dinge, die ich mit Ihnen tun werde, um einiges einfacher.«
    »Sehen Sie«, begann ich, »als besorgter Bürger bin ich nur zu gern bereit –« Aber Gwillam musste seinem Team so etwas wie ein Signal gegeben haben, wovon ich nichts mitbekam. Pos massige Hand schloss sich um meinen Hals, zog mich unsanft zum Stuhl hinüber, setzte mich wie eine Puppe darauf und hielt mich fest. Zucker und Sallis warteten schon mit dem Strick. Was Knoten betraf, so waren sie allenfalls begeisterte Amateure, doch sie machten an Masse wett, was ihnen an Raffinesse mangelte.
    Während sie an der Arbeit waren, zog Gwillam einen zweiten Stuhl heran und stellte ihn vor mich. Dann, als sie respektvoll zurücktraten, nachdem sie ihr Werk vollendet hatten, nickte er zufrieden. »Sallis«, sagte er. »Sie bleiben hier. Mister Zucker, nach den Strapazen haben Sie und Mister Po vielleicht den Wunsch, der Kapelle einen Besuch abzustatten.«
    »Vielen Dank, Vater«, sagte Zucker, und die beiden machten auf dem Absatz kehrt und verschwanden in der Dunkelheit. Po blickte mich über die Schulter an und entblößte für meinen Geschmack einfach zu viele Zähne. Sallis ging hinüber zur Wand, setzte sich mit dem Rücken zu ihr hin, richtete die Pistole nicht direkt auf mich, hielt sie jedoch einsatzbereit in der Hand.
    »Ist das irgendein Euphemismus?«, wollte ich von Gwillam wissen.
    Er sah mich ehrlich überrascht an.
    »Nein«, erwiderte er. »Wo immer wir uns niederlassen, richten wir eine Feldkapelle ein, Castor. Unser Glaube ist uns sehr wichtig.«
    »Ihr früherer Glaube.«
    Gwillam hob eine Augenbraue. Er wirkte jedoch nicht verärgert. Die spitze Bemerkung war offenbar nicht so bissig gewesen, wie ich erwartet hatte.
    »Wissen Sie, wie viele Katholiken es auf der Welt gibt, Castor?«, fragte er.
    »Bevor Sie und Ihre Freunde den Marschbefehl erhielten oder nachher?«
    »Es gibt mehr als eine Milliarde. Siebzehn Prozent der Weltbevölkerung. Fünfhundert Millionen allein in Amerika.
    Daher muss der Heilige Vater notwendigerweise sowohl Staatsmann wie auch religiöses Oberhaupt sein. Er muss gleichermaßen das Schicksal der Menschen wie auch von Nationen im Auge behalten. Und das bedeutet, dass er manchmal kleine Ungerechtigkeiten durch größere Begünstigungen ausgleichen muss.«
    »Heißt?«
    »Kurz vor dem Tod Johannes-Pauls II . wurden den Anathemata Curialis umfangreiche Geldmittel zugesprochen. Dann befahl sein Nachfolger, Benedikt XVI ., unter Androhung der Exkommunikation unsere Auflösung. Diese beiden Aktionen sollte man am besten als diastolische und systolische Phase eines Herzschlags betrachten. Die Kirche hat uns enteignet, ist aber weiterhin an unserem Wohlergehen interessiert.«
    »Obgleich Sie Werwölfe als praktische Helfer einsetzen? Wie breit ist Ihr Toleranzbereich, Gwillam? Ich bin nur neugierig.«
    Er kniete sich hin, nahm die schwarze Arzttasche und stellte sie auf den Tisch. Er öffnete den Schnappverschluss und kramte darin herum. Ich hatte die Tasche nicht vergessen. Tatsächlich übertreibe ich nicht, wenn ich sage, dass sie mir Angst machte.
    »Unser Toleranzbereich«, sagte Gwillam, »ist schmal und klar umrissen. Wir schlagen die letzte Schlacht. Wir sind die Kämpfer des Herrn und wurden ins Kernland des Feindes geschickt, um uns ein Bild von seiner Stärke zu machen und um seine Streitmacht zu stören, während er versucht, sie in Stellung zu bringen.«
    »Und der Feind ist …«
    »Die Hölle, natürlich.«
    Nacheinander entnahm er der Tasche eine Einweginjektionsnadel, eine Luftpolsterfolie mit einer kleinen Aufsteckampulle mit einer strohgelben Flüssigkeit, eine größere Flasche mit einer klaren, weißen Flüssigkeit und eine noch verschlossene Packung chirurgische Tupfer. »Mit der Auferstehung der Toten«, sagte er und schaute mir mit der tödlichen Gelassenheit des Fanatikers in die Augen, »wurden die Feindseligkeiten eröffnet. Die Hölle zieht in allen Bereichen, in jeder Nation auf der Erde gegen den Himmel zu Felde. Das wurde