Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
Schraubenschlüssel ins Getriebe seiner Organisation zu werfen. Aber auf Kosten von Abbies Seele? Dazu durfte es nicht kommen. Jedenfalls nicht, wenn ich anschließend noch in der Lage sein wollte, in den Spiegel zu schauen.
Gwillam nickte Sallis zu, der neben mich trat. Er verstaute die Pistole in einem Schulterholster, das unter der Jacke quer über seine Brust geschnallt war, packte mit beiden Händen in mein Haar und zog meinen Kopf so weit es ging nach hinten. Ich spannte mich, um mich zu wehren, aber so, wie er mich überragte, konnte er weitaus mehr Druck ausüben, als ich an Gegendruck zustande bekam. Ohne Eile entkorkte Gwillam eine große Flasche und schüttete einen Teil ihres Inhalts auf einen der chirurgischen Tupfer. Der beißende Geruch eines Desinfektionsmittels verteilte sich in der Luft. Gwillam wischte sorgfältig den Bereich ab, wo meine Schulter und mein Hals zusammentrafen, dann warf er den Tupfer auf den Tisch.
»Ich sage Ihnen alles, was Sie wissen wollen«, knurrte ich und hatte Schwierigkeiten, mit derart weit zurückgelegtem Kopf zu reden.
»Wir werden sehen«, sagte Gwillam knapp. Er riss die Luftpolsterfolie auf, lud die Injektionsspritze mit der Ampulle und drückte leicht auf den Kolben, bis ein dünner Flüssigkeitsstrahl aus der Spitze schoss. »Halten Sie ihn fest«, warnte er Sallis und beugte sich für einen Moment über die Arzttasche, so dass ich ihn aus den Augen verlor. »Wenn dies in seine Halsschlagader gerät, wird es ihn wahrscheinlich töten.«
Das war eine schlechte Nachricht, egal wie man es betrachtete. Aber selbst wenn ich diese Prozedur überlebte, war es offensichtlich, dass Gwillam mich mit irgendeinem Thiopentalderivat vollpumpen wollte, um eine detailliertere und offenere Diskussion zu gewährleisten. Konnte ich irgendetwas tun, um ihn aufzuhalten? Mir fiel verdammt noch mal nichts ein.
Was wusste ich über Wahrheitsseren? Nur was ich bei der Lektüre billiger Spionageromane aufgeschnappt hatte, aber das war genug, um zu wissen, dass sie nicht funktionierten. Sie hatten lediglich eine enthemmende Wirkung und trennten die Bremsleitungen des Unterbewusstseins, so dass man in den Freifahrtmodus umschaltete und sich über alles äußerte, was einem durch den Kopf schoss. Leute, denen Propofol oder Pentathol injiziert worden war, konnten nicht bewusst lügen, aber sie konnten eine Menge frei assoziierten Scheiß zusammenlabern, was sie auch taten. Das war der Grund, weshalb Wahrheitsdrogen nicht viel zu Tage förderten, nicht einmal in billigen Spionage-Thrillern.
Andererseits, wollte ich vor Gwillam über Asmodeus und Abbie und Juliet und die Saint Michael’s Church frei assoziieren? Nein, das wollte ich nicht. Dies war ganz sicher ein geeigneter Moment, um meine Gedanken für mich zu behalten.
Und in diesem Moment kam mir von wer weiß wo eine Nebensächlichkeit in den Sinn, von der ich nicht einmal geahnt hatte, dass ich sie wusste. Ich erinnerte mich daran, zu welcher Kategorie Drogen das Wahrheitsserum gehörte – und das lieferte mir die allgemeinen Grundzüge einer Idee. Sehr vage und armselig, aber geringfügig besser als gar nichts. Auf keinen Fall konnte ein Versuch schaden. Der einzige Nachteil war, dass wenn es nicht funktionierte, ich wohl nicht mehr aufwachen würde. Ich fing an, schnell und tief zu atmen und so viel Luft wie möglich in meine Lungenflügel zu pressen.
»Wäre es besser, wenn er bewusstlos ist?«, fragte Sallis mit einem meiner Meinung nach unanständigen Ausdruck von Eifer.
»Wohl kaum«, schnappte Gwillam. »Wie soll er dann fähig sein, irgendwelche Fragen zu beantworten, wenn Sie ihm Ihre Faust in den Schädel rammen?«
Er gelangte wieder in mein Gesichtsfeld und hielt die Injektionsnadel einsatzbereit hoch.
»Gwillam!«, knurrte ich, wobei ich weiterhin schnelle, heftige Atemzüge machte. Ich musste ausgesehen haben, als stünde ich kurz vor einer schweren Panikattacke.
Gwillam zögerte. »Was ist?«, fragte er.
»Ich bin allergisch.«
»So, so. Gegen was genau?«, fragte Gwillam gefährlich ruhig.
Die Spritze konnte alle möglichen Substanzen enthalten. Ich konnte nur raten.
»Propofol«, sagte ich.
Gwillam zuckte die Achseln. »Dann können Sie sich wieder beruhigen«, meinte er. »Was ich hier habe, ist etwas anderes.«
Die Nadel senkte sich herab und näherte sich meinem Hals. Ich verrenkte mich plötzlich in Sallis’ Griff, und Gwillam hielt inne. Er wollte mich nicht töten – zumindest nicht, bevor er
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