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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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jedoch, dass ich nicht nur vermeiden musste, gesehen zu werden, sondern auch nicht zulassen durfte, dass er meine Witterung aufnahm.
    Die Etage, in der ich mich befand, war anscheinend vollkommen verlassen, daher sah es für mich unter dieser Perspektive durchaus gut aus. Ich überlegte, mich für einige Minuten auszuruhen, ehe ich mich weiter vorwagte, aber die Zeit drängte. Ich hatte keine Ahnung, was ich möglicherweise gesagt hatte, als ich unter Drogeneinfluss stand, oder wie viel Gwillam mittlerweile wusste. Hinzu kam, dass ich noch immer nur mit einem Krankenhausnachthemd bekleidet war und wahrscheinlich schon bald an Unterkühlung leiden würde, wenn ich in dieser Aufmachung noch länger in der kalten Luft herumhing.
    Nachdem ich für etwa eine Minute den Raum kreuz und quer abgesucht hatte, fand ich schließlich eine Treppe und folgte ihr abwärts, wobei ich mich in der totalen Dunkelheit vorsichtig von Stufe zu Stufe tastete, um zu vermeiden, Hals über Kopf hinunterzustürzen. Ich sagte mir, dass ich zumindest eine Tür zur Tiefgarage finden würde – von wo es sicherlich eine Verbindung zur Straße geben musste. Selbst wenn mich ein verschlossenes Sperrgitter erwartete, war ich mir einigermaßen sicher, dass ich es öffnen könnte und aus der Tiefgarage herauskäme.
    Aber die Treppe endete vor einer Feuerschutztür, die in totaler Missachtung von gesetzlichen Vorschriften und Logik mit einem Vorhängeschloss und einer Kette gesichert war. Ich kehrte in das Stockwerk darüber zurück und versuchte mein Glück an der dortigen Tür. Sie gab nach, als ich dagegendrückte, daher hielt ich inne, als der Spalt etwa drei Zentimeter breit war, und spähte hindurch.
    Keine vollkommene Dunkelheit. Irgendwo brannte Licht – ein matter, bläulicher Schimmer erhellte den Rand einer, wie mir schien, beweglichen Trennwand halb links vor mir. Ich lauschte. Kein Laut war zu hören bis auf das sehr leise Summen irgendwelcher Maschinen.
    Ich trat über die Schwelle und schloss die Tür behutsam hinter mir. Früher oder später müsste ich das Treppenhaus sowieso verlassen, und je näher ich dem Parterre war, desto besser. Das South Bank Centre ist ein spektakuläres vertikales Labyrinth, auch wenn seine Beleuchtung eingeschaltet ist. Ich könnte eine Viertelstunde oder mehr damit vergeuden, in der Dunkelheit ziellos darin umherzuirren.
    Ein paar Schritte brachten mich an die Kante der Trennwand. Indem ich mich zeitlupenhaft und nahezu lautlos bewegte, beugte ich mich vor, blickte um die Kante und suchte die Lichtquelle.
    Ein Mann saß in einem billigen Kontursessel aus Plastik vor einem Computer-Terminal. Er wandte mir den Rücken zu, aber ich erkannte die kahle Stelle auf seinem Schädel. Es war Sallis. Er blätterte langsam einen zweispaltigen Text durch und schien auf nichts anderes zu achten. Die Pistole, nunmehr ohne Schalldämpfer, lag neben ihm auf dem Schreibtisch, auf dem der Computer aufgebaut war, zwischen einem Becher mit der Aufschrift »Republic of Coffee« und einer Burger-Box aus Styropor. Die Anathemata mochten sich für einen Krieg aufgerüstet haben, aber sie lebten so bescheiden wie Polizisten während einer Observierung.
    Ich ging meine Möglichkeiten durch. Niemand sonst war zu sehen, und es gab keine weiteren Lichtinseln in dem weiten Raum. Sallis beschäftigte sich mit etwas, das ihn komplett aus der realen Welt entführt hatte. Ich könnte mich an ihm vorbeischleichen und vielleicht sogar zu einem anderen Ausgang gelangen, ohne dass er mich bemerkte.
    Andererseits war da die Pistole. Und da waren die Kleider. Und da war das Geld, das er vielleicht in den Taschen hatte. Not kennt kein Gebot.
    Ich machte einen Schritt rückwärts, dann einen weiteren und schließlich einen zur Seite. Ich musste mich auf mein Gedächtnis verlassen, es war das Beste, was ich tun konnte. Ich attackierte die Trennwand mit der Schulter zuerst und machte erst im letzten Moment einen Satz, so dass ich die Wand in der oberen Hälfte traf und mein gesamtes Gewicht dahinterlag, als sie umkippte und ich mit ihr zu Boden ging.
    Sallis brüllte noch nicht einmal. Er gab irgendeinen Laut von sich, aber es war keiner, dem ich ohne spezielle Ausrüstung gerecht werden konnte. Sein Kopf war unter dem Gesamtgewicht der Trennwand und meines Körpers nach vorn geschleudert worden und mit einem soliden Bumms auf dem Tisch aufgeschlagen. Dann hatten die Tischbeine nachgegeben, und er tauchte in dem Trümmerhaufen unter und war nicht mehr

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