Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
nicht nur wegen ihrer glücklichen oder gleichgültigen Mienen und ihres sorgenfreien Geplappers, sondern weil ihre Anwesenheit in diesem Moment zur Folge hatte, dass ich die Pistole nicht noch einmal benutzen konnte. Ich rüttelte am Gitter. Es war nicht verriegelt. Als ich daran zog, glitt es mit durchdringendem Quietschen nach oben.
Dann machte ich einen Rückzieher, der unter anderen Umständen etwas Spaßiges hätte an sich haben können. Ich ging zurück zum Motorrad und unterzog es einer eingehenderen Prüfung. Das Logo über dem Scheinwerfer zeigte die typischen im Dreieck angeordneten Rhomben der Mitsubishi Company. Das Motorrad besaß hinten zwei Packtaschen wie eine Kuriermaschine.
Ich erlebte einen kurzen Anflug von aufkommender Panik, während ich Sallis’ Schlüssel aus der Tasche seiner Jacke fischte. Wenn dies funktionierte, dann bediente ich mich vom Glück eines anderen, denn mein eigenes konnte es unmöglich sein.
Während ich mich bemühte, für jeden, der von der Straße herüberschaute, so locker und lässig wie möglich zu erscheinen, verstaute ich jeweils drei Filmdosen in den beiden Taschen und schwang mich in den Sattel. Schnelle Schritte kamen hinter mir die Rampe herauf. Und ich hörte hinter mir laute Rufe. Ich drehte mich nicht um. Sich bei einem lauten Ruf umzuwenden, ließ einen schuldig erscheinen.
Der Schlüssel passte, und der Motor sprang bereits bei der ersten Drehung mit lautem Getöse an. Jetzt erst drehte ich mich um und atmete auf, als ich feststellte, dass die Verfolger Uniformen trugen – und vollständig aus menschlichem Fleisch und Blut bestanden.
Sie waren noch rund zwanzig Meter entfernt und ließen mir gerade noch genug Zeit, den Helm aufzusetzen, der an der Lenkstange hing – dunkelrot, wie das Motorrad, und mit dem Bild eines geflügelten Totenschädels verziert. Safety first. Dann gab ich Gas und ließ die drei laut protestierenden Nachtwächter in meiner Abgaswolke zurück.
Ich war mir nicht sicher, wie ich ins Stanger Care Home hineingelangen sollte. War ich mittlerweile ein gesuchter Krimineller? Der motorisierte Überfall auf ein Krankenhaus in Nordlondon hatte sicherlich seinen Weg in die Nachrichten vom Tage gefunden. Die Frage war, ob sie den Schutt schon so weit durchgesiebt hatten, um sicher feststellen zu können, dass ich nicht daran beteiligt war – und wenn nicht, ob sie bereits die Öffentlichkeit gewarnt oder zumindest eine Fahndungsmeldung herausgegeben hatten.
Wenn ja, konnte ein Besuch im Stanger, als sei nichts passiert, zur Folge haben, dass ich sofort wieder in polizeilichen Gewahrsam wanderte. Andererseits befand sich etwas im Sanatorium, das ich brauchte, und ich sah keinen anderen Weg, es in meinen Besitz zu bringen.
Aber während ich noch immer unschlüssig in der dunklen Tiefgarage auf dem Motorrad saß, half mir die Vorsehung in Pauls Gestalt. Er kam durch den Haupteingang herausgeschlendert, lehnte sich gegen den Krankwagen, wo wir uns vor ein paar Tagen unterhalten hatten, und zündete sich eine Zigarette an. Er stieß durch die Nasenlöcher eine Rauchwolke aus, die in dünnen Schwaden in der Luft hängenblieb wie eine Art Runeninschrift, die ins Fleisch der Nacht geritzt worden war.
Als ich vom Motorrad abstieg und auf ihn zuging, schaute er in meine Richtung und schaute dann ein wenig länger und genauer hin. Wegen des Motorrads hatte er mich für einen Fremden gehalten, aber ich sah, wie sich ein Ausdruck des Zweifelns in seinem Gesicht abzeichnete und wie er sich spannte. Mittlerweile hatte ich mich ihm so weit genähert, dass er mich hören konnte, ohne dass ich meine Stimme zu sehr erheben musste. Ich nahm den Helm ab und ging weiter.
»Hey, Paul«, begrüßte ich ihn.
Er schob die Unterlippe in trotziger Verwirrung vor. »Hey, Castor. Ich dachte, Sie seien vor der Polizei auf der Flucht.«
Ich nickte lässig, kam zu ihm und lehnte mich gegen den Krankenwagen. Den Helm hatte ich unter den Arm geklemmt, und meine freie Hand steckte in der Tasche von Sallis’ Jacke. »Das ist richtig«, sagte ich und schnippte mit dem Daumen gegen den Helm. »Deshalb diese raffinierte Verkleidung.«
»Bewaffnet und gefährlich, habe ich gehört.«
»Bewaffnet, ja.« Ich zeigte ihm die Pistole und steckte sie schnell wieder weg. »Gefährlich wäre ich nur, wenn ich halbwegs geordnet und logisch vorginge. Wie geht es Rafi?«
Paul zog an seiner Zigarette und atmete mehr Rauch aus. Der Anblick der Pistole hatte einen gequälten
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