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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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und er folgte mir dicht auf den Fersen und drückte die Tür zu. Als ich ihn fragend ansah, zuckte er die Achseln. »Wie soll ich glaubhaft erklären, Sie hätten mich mit einer Waffe in Schach gehalten, wenn ich als Ausguck draußen bleibe, Castor?«
    »Das ist natürlich richtig«, gab ich zu.
    Rafi lag auf einer Stahlrohrpritsche – ein Neuzugang in seiner Zelle, die insgesamt ein lebhaftes Zeugnis dafür war, wie sehr er sich in den letzten Tagen verändert hatte. Als Asmodeus noch beherrschenden Einfluss hatte, war die Zelle weitgehend leer und kahl gewesen, da man nie voraussehen konnte, wann sich die Stimmung des Dämons von ruhig zu mörderisch verspielt verschob. Zu viele Angehörige des Personals waren in der Anfangszeit misshandelt worden. Webb hatte sich von Pen eine Vormundschaftserklärung unterschreiben lassen, und die Zelle war mehr oder weniger zu einem eintönigen Stahlkäfig reduziert worden.
    Im Gegensatz zu jenen schlimmen Tagen machte sie jetzt einen beinahe gemütlichen Eindruck. Außer dem Bett gab es ein Poster an der Wand – ein Kunstdruck von Van Goghs Sonnenblumen – und eine Schubladenkommode mit Bleistift und Papier darauf. Genug für Asmodeus, um damals ein veritables Chaos auszulösen.
    Rafi schlief, sehr tief sogar. Ich schaute von ihm zu Paul, dessen Grinsen fast einem Zähnefletschen glich. »Doktor Webb sagt, dass Mister Ditko weiterhin seine Medikamente nehmen muss, bis wir die Ergebnisse der neuen Bewertung kennen. Zur gleichen Zeit, in gleicher Dosis. Als er nicht allein hier drin war, konnte er anscheinend die Wirkung der Medikamente neutralisieren, wann immer er es für notwendig hielt. Nun hingegen hauen ihn die beiden Temazepam-Kapseln, die er um neun Uhr abends schlucken muss, bis zum Morgen total um.«
    Das überraschte mich nicht, denn das war Webb, wie er leibte und lebte – ein Bastard durch und durch von der Art, sich stur an die Regeln zu halten und sich damit zu entschuldigen, dass ihm die Hände gebunden seien. Da niemand anwesend war, dem ich meine Absicht erklären musste, begann ich ohne Einleitung das zu tun, weshalb ich dorthin gekommen war. Indem ich die Schere aus dem Erste-Hilfe-Kasten im South Bank Centre zückte, schnitt ich Rafi behutsam eine Haarsträhne ab, ohne ihn zu wecken.
    »Wofür brauchen Sie sein Haar?«, fragte Paul, wobei sein Gesicht so etwas wie Abscheu widerspiegelte.
    »Es ist ein Köder«, sagte ich grimmig. Pauls Abscheu konnte bei Weitem nicht so gründlich sein wie meiner. Ich kannte die Wahrheit. Es wäre die letzte Option, sagte ich mir. Ich würde mich ihrer erst dann bedienen, wenn alles andere versagte. Andererseits würde ich ohnehin nicht nahe genug an ihn herankommen, um die Strähne einzusetzen. Und das Timing musste absolut perfekt sein, daher war durchaus damit zu rechnen, dass ich diesen kleinen Abstecher völlig umsonst machte.
    Das betete ich mir zumindest dreimal vor. Doch ich fühlte mich deswegen keinen Deut besser.
    Ich steckte die Schere in die Tasche und wickelte das Haar um den Ringfinger meiner linken Hand, wo ich es nicht verlieren konnte. Dann, ein wenig unbeholfen, weil Paul noch immer dicht hinter mir stand und auf meinen Rücken starrte, ging ich auf den Fußboden hinunter und schlug die Beine über Kreuz. Mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen begann ich leise zu pfeifen.
    Ohne Instrument war es ungleich schwieriger, aber nicht völlig unmöglich. Damals, als es noch absolut wahnsinnig und schlimm und tödlich war, Juliet zu kennen, und sie im Begriff war, mich mit Haut und Haar und Seele zu verschlingen, konnte ich mich aus den Fängen des Todes (tatsächlich war es ein anderer Teil der Anatomie des Todes, aber wir sollten uns nicht mit solchen Dingen aufhalten) befreien, indem ich mit der Hand einen Rhythmus trommelte. Alles, was wir Geist-brecher tun, ist lediglich eine Metapher – sichtbar oder hörbar oder was zur Hölle auch immer – für etwas, das sich in unserem Geist abspielt. Die Grenzen bestimmen wir selbst.
    Ich pfiff eine alte Melodie, die unter zahlreichen Titeln bekannt war – einer lautete »The Flash Lad«. Es war eine Ballade von einem Straßenräuber und datierte aus dem achtzehnten Jahrhundert, und wenn man sich den Text genau anhörte, hatte sie ein trauriges Ende. Allerdings hatte sie eine hübsche Melodie und schien für das geeignet zu sein, was ich zu tun versuchte.
    Damals, als Asmodeus das erste Mal in Rafis Körper eindrang, hatte ich spektakulär dabei versagt, ihn

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