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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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daher am besten, uns nicht direkt anzuschauen.«
    Ich blickte in die Schüssel, während sich die Wellen verliefen und glätteten. Ich sah das umgekehrte Spiegelbild der Saint Michael’s Kirche. Auf dem Kopf erschien sie keinen Deut besser. Im Gegenteil, eigentlich bot sie einen schlimmeren Anblick. Schwarzer Qualm oder Dampf wallte in Wellen von ihr abwärts in den Himmel unter ihr. Es sah aus, als brenne sie – in einem Feuer ohne Flammen.
    Erschrocken hob ich den Kopf und sah das Gebäude direkt an. Stumm und erhaben stand es da. Kein Rauch, keine lodernden Flammen.
    Aber als ich wieder in die Schüssel blickte, wurde das Spiegelbild der Kirche erneut von schwarzem Dampf umwabert. Saint Michael’s stand eindeutig im Zentrum eines Schatteninfernos.
    Ich schaute Juliet fragend an, und sie zuckte nur die Achseln.
    »Irgendjemand, den du kennst?«, fragte ich, bemühte mich um einen scherzhaften, beiläufigen Tonfall und lag etwa eine Startbahnlänge daneben.
    »Das ist eine gute Frage«, gab sie zu. »Aber dazu später. Komm erst einmal herein. Du musst dir alles ansehen.«
    Ich hatte das Gefühl, das sei das Letzte, was ich tun sollte. Aber ich folgte ihr, als sie den kleinen Hügel zur Kirche hinabging und die gleiche Richtung einschlug wie Susan Book kurz vorher.
    Die Küsterin wartete auf uns an der Tür zur Sakristei, einer viel kleineren, aus Stein gemauerten Hundehütte, die an der rückwärtigen Außenmauer der Kirche klebte. Susan Book hatte bereits die Tür geöffnet, war aber noch nicht hineingegangen. Sie erschien nervöser und unglücklicher als vorher – und sie sah Juliet auf weitere Instruktionen hoffend und mit der gleichen schmerzlichen Sehnsucht an, die mir schon vorher bei ihr aufgefallen war.
    »Sie können hier warten«, sagte Juliet zu ihr und klang beinahe liebevoll behutsam. »Wir brauchen fünf Minuten. Ich denke, es ist besser, wenn Castor sich selbst einmal umschaut.«
    Susan schüttelte den Kopf. »Ich komme mit«, sagte sie. »Falls Sie irgendwelche Fragen haben. Der Kapitular bat mich, Ihnen in jeder Weise behilflich zu sein.« Sie gab sich einen Ruck, straffte sich und trat als Erste über die Schwelle. Juliet ließ mich mit einem Kopfnicken vorgehen, daher folgte ich als Nächster, während sie die Nachhut bildete.
    Die Sakristei hatte etwa die Ausmaße eines größeren Badezimmers, und sie war leer bis auf einen Schrank für kirchliche Gewänder und ein halbes Dutzend in die Wand geschraubte Haken. Wir gingen hindurch und gelangten durch eine zweite, weit offene Tür ins nördliche Querschiff der Kirche, einen niedrigen dunklen Tunnel, an dessen Ende das Mittelschiff wartete. Er war vollkommen unbeleuchtet, abgesehen von ein paar roten Lichtstrahlen, die durch das bunte Glasfenster zu unserer Linken hereindrangen. Dadurch entstand eine ziemlich abweisende Atmosphäre. Man konnte sich nur schwer vorstellen, dass jemand dadurch zu besonderer Andacht animiert würde. Wohlgemerkt, ich würde nicht mal ein Vaterunser sprechen, wenn mir jemand eine Pistole an den Kopf halten würde, daher kann man mich nicht gerade als unvoreingenommenen Zeugen betrachten.
    Ich spürte es, ehe ich drei Schritte gemacht hatte: die Kälte. Sie passte eher zu Dezember als zu Mai und eher zu den Anden als East Acton. Sie fraß sich bis in die Knochen. Kein Wunder, dass ich gefroren hatte, als ich mein Glück draußen an der Tür versucht hatte. Die Kälte musste sogar durch die Mauern gedrungen sein. Ich unterdrückte ein Frösteln und ging weiter.
    Aber nach ein paar Schritten erwartete mich eine noch größere Überraschung. Ich fuhr herum und sah Juliet erstaunt an. Sie erwiderte meinen Blick gespannt. »Erzähl, was du jetzt fühlst«, sagte sie.
    Ich wollte erst meinen Eindruck erhärten. Ich ging nach links, nach rechts, dann vorwärts.
    »Es verändert sich«, murmelte ich. »Verdammt noch mal. Es ist wie – da sind kalte Blasen in der Luft, die sich nicht bewegen.«
    »Was hier auch geschehen sein mag, es ist sehr schnell passiert. Ich glaube, deshalb hat es sich auch nicht –«
    Sie zögerte, suchte das richtige Wort.
    »Hat sich was nicht?«
    »Gleichmäßig ausgebreitet.«
    Mein Lachen fiel ungläubig und leicht gequält aus.
    Susan Book wartete am Ende des Querschiffs auf uns, und sie beobachtete uns, nicht erwartungsvoll, sondern mit einem Ausdruck nervöser Anspannung. Sie würde ohne uns keinen einzigen Schritt mehr wagen. Daher kehrten wir zu ihr zurück.
    Die Schatten im Mittelschiff

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