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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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Friedhofstors hatte klirren hören, mein Aftershave gerochen hatte, als ich eingetreten war, und meine Pheromone gekostet hatte, um festzustellen, was für einen Tag ich gehabt hatte. Sobald ich nahe genug gekommen war, so dass ich meine Stimme nicht mehr erheben musste, um mit ihr zu reden, fragte ich, was mir als Erstes in den Sinn kam.
    »Warum eine Kirche? Wirst du etwa religiös?«
    Ihr Kopf ruckte hoch, und sie musterte mich stirnrunzelnd, die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Ich reckte die Hände mit den Handflächen nach außen in einer Ich-will-gar-nichts-Böses-Pantomime in die Höhe. Manchmal gehe ich zu weit. Sie lässt es mich dann immer sehr deutlich wissen.
    Wie gewöhnlich vergaß ich vorübergehend alles, sobald ich sie ansah. Juliet war geradezu widernatürlich und unbegreiflich schön. Ihre Haut war melaninfrei, alabasterglatt und so weiß wie jedes Klischee, das einem dazu einfallen mag. Wenn man den Standardvergleich – Schnee – heranzog, dann musste man sich ihre Augen wie zwei tiefe Eislöcher, schwarz wie die Nacht, vorstellen. Aber wenn irgendjemand angelte, dann von innerhalb dieser Löcher, und man spürte den Haken erst, wenn er ganz tief unten im Schlund steckte. Ihr Haar war schwarz und wie ein Wasserfall, der sich lückenlos glänzend über ihren Rücken fast bis zur Taille ergoss. Ihr Körper … ich versuche gar nicht erst, ihn zu beschreiben. Man konnte sich darin verirren. Das ist einigen Leuten passiert – Leuten, die stärker sind als Sie und ich – und die meisten sind nie wieder aufgetaucht.
    Denn der Punkt ist – und ich weiß, dass ich bereits darauf hingewiesen habe –, Juliet war kein Mensch. Sie war ein Dämon aus der Familie der
succubi
, deren bevorzugte Ernährungsweise darin bestand, einen so weit zu erregen, dass das Nervensystem zu Schlacke verbrannte, und einem dann die Seele einfach durch die Haut auszusaugen. Selbst an diesem Tag, züchtig gekleidet in schwarzer langer Hose, Stiefeln und einem weit geschnittenen weißen Hemd mit einer gestickten roten Rose auf der linken Seite, konnte man nicht übersehen, was und wer sie tatsächlich war. Die Selbstsicherheit, die Susan Book in ihr erkannt hatte – sie erwuchs aus ihrer Position als führender Fleischfresser in einer Nahrungskette, die kein lebender Mensch, ganz gleich ob Mann oder Frau, sich auch nur annähernd vorstellen konnte. Außer dass
Fleischfresser
nicht ganz die richtige Bezeichnung war. Viel eher traf auf sie die Bezeichnung
Seelen-
oder
Geistfresser
zu. Und was noch wichtiger war, man sollte nicht unbedingt ihre Nähe suchen.
    Gott sei Dank war sie auf unserer Seite. Und das sage ich als Atheist.
    Und dann, indem ich einen weiteren Schritt machte, geriet ich in ihre Duftwolke. Sie traf mich wie immer in zwei Wellen. Mit dem ersten Atemzug nahm man die üppige faulige Witterung eines Fuchses wahr, süßlich und erdig. Mit dem zweiten Atemzug, den man wegen der erstickenden Schärfe des ersten nur sehr flach und behutsam ausführte, inhalierte man eine Mischung aus Düften so qualvoll süß und sinnlich, dass der Körper schlagartig in einen Zustand der Rundum-Bereitschaft versetzt wurde. Ich war daran gewöhnt und dagegen gewappnet, trotzdem verspürte ich eine Woge der Benommenheit, als sämtliches Blut in meinem Kopf in Richtung Lenden strömte für den Fall, dass es gebraucht wurde, um meine plötzlich schmerzhafte Erektion zu steigern. In Juliets Nähe pflegten Männer willenlos zu werden, und sie waren plötzlich so gut wie blind, weil den Blick auch nur für Sekunden von ihr zu lösen einem plötzlich vorkam wie die Vergeudung wertvoller Zeit.
    Weshalb es wichtig war, niemals zu vergessen, was sie war. Auf diese Weise konnte man sich einen gewissen Grad altmodischer, die Hosen durchnässender Angst als Bollwerk gegen seine Begierde erhalten. Ich hatte dies stets als gesundes Gleichgewicht empfunden und mich bemüht, es zu bewahren. Denn falls ich tatsächlich mit Juliet einmal Sex haben sollte, wäre meine unsterbliche Seele die Zigarette danach. Dennoch war es nicht leicht, logisch zu denken, wenn sie direkt vor einem stand. Überhaupt zu denken war nicht leicht.
    Juliet streckte die Beine und stieg mit natürlicher und völlig unbefangener Grazie von dem Marmorblock herab. Ich stellte fest, dass er der Deckel eines Familiengrabs war. Darauf waren Joseph und Caroline Rybandt sowie, in kleinerer Schrift, eine ganze Reihe nachfolgender Rybandts aufgelistet. Der Tod war keinen Deut

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