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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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Erwartungen umzuformen. Ich meine, man braucht sich nur anzusehen, was das aus Michael Jackson gemacht hatte.
    Ich bin ihm ein Mal begegnet – Steiner, meine ich, nicht Jacko –, und es war geradezu beängstigend. Ich hatte seinerzeit bereits zwei seiner Bücher gelesen und bewunderte – von mögen konnte allerdings keine Rede sein – den kalten, klaren Geist, der sich darin offenbarte. Aber als ich mit ihm reden konnte, war es, als ob dieser Geist zerfallen und sich in einer anderen, insgesamt nicht funktionalen Form wieder zusammengefügt hätte.
    Es war bei irgendeiner bizarren Party in einem Londoner Hotel, in dem eine Konferenz zum Thema
Perspektiven des Nachlebens
stattfand. Jenna-Jane Mulbridge, eine als Exorzistin praktizierende Akademikerin, die mir eine Menge Tricks beigebracht hatte, als ich noch feucht hinter den Ohren war, hatte eine Eintrittskarte für mich ergattert und darauf bestanden, dass ich sie begleite. Die Chance, mit Steiner persönlich zusammenzutreffen, hatte mich einwilligen lassen.
    Nach dem, woran ich mich von dieser Unterhaltung erinnern kann, war er bereits auf dem besten Weg zu jenem mürrischen, verrückten Einsiedler, als den ihn heute jeder in Erinnerung hat. Er redete über die Toten und die Lebenden, als seien sie verfeindete Armeen, die sich auf einem Schlachtfeld gegenüberstanden, mit ihm selbst als Anführer der Streitmacht der Warmblütigen. Ich muss zugeben, dass er, was sein Aussehen betraf, der Rolle in jeder Hinsicht gerecht wurde: geistig wach, unbeugsam wie Granit, das graue Haar kurz geschoren. Und wenn Steiner ein General war, dann betrachtete er die Exorzisten als seine Kampftruppe: eine Eliteeinheit, darauf trainiert, mit allem fertig zu werden, was der Feind gegen uns aufbieten konnte. Der Feind? Anfangs zögerte ich, darauf einzugehen. Sicherlich war mir irgendeine Anspielung, ein Doppelsinn entgangen. Aber das war nicht der Fall. »Die Toten«, sagte er. »Und die Untoten. Diejenigen, die uns verdrängen und uns die Welt wegnehmen wollen.«
    Schon damals, als ich ruhelose Geister ohne Skrupel oder Gewissensbisse vernichtete, konnte ich seine Sichtweise nicht teilen. Abgesehen von allen anderen Implikationen wartete anscheinend am Ende nur eine einzige Tür mit der Aufschrift »Es gibt keine Hoffnung«. Im halbherzigen Bemühen, meinen Standpunkt in dieser Unterhaltung zu verteidigen, wollte ich von Steiner wissen, wie man in einem Kampf bestehen solle, in dem jeder Gefallene der eigenen Streitkräfte ein Rekrut für die Gegenseite würde.
    »Was meinen Sie?«, fragte er und musterte mich stirnrunzelnd über den Rand eines Champagnerglases, das er derart heftig umklammerte, dass es jeden Moment zu zerspringen drohte.
    Ich argumentierte so gut ich konnte, was mir jedoch nicht allzu erfolgreich gelang, da ich meine Konzentration im Wesentlichen darauf verwendete, mich aus dieser Situation herauszustehlen. Ich war mindestens genauso desillusioniert und enttäuscht wie ein Kind, das erfahren muss, dass der Weihnachtsmann nur deshalb wie Johnny Walker riecht, weil sich sein eigener Vater hinter dem weißen Rauschebart und dem roten Mantel verbirgt. »Ich meine, wir werden doch alle irgendwann sterben, Mister Steiner. Wenn die Toten die Lebenden hassen, brauchen sie doch gar nicht gegen uns zu kämpfen. Sie müssen nur lange genug abwarten. Am Ende geht doch jeder denselben Weg, nicht wahr? Wenn das Leben eine Armee ist, wird am Ende jeder zum Deserteur, oder …«
    Steiners stechender Blick ließ mich verstummen. Als ich in diese vom Wahnsinn funkelnden, gnadenlosen babyblauen Augen blickte, wusste ich verdammt genau, dass, wenn wir tatsächlich an einem Kriegsschauplatz gewesen wären, er mich an Ort und Stelle hätte erschießen lassen, weil ich mich für eine Schonung des Feindes ausgesprochen hatte. Da wir jedoch Gäste einer Party waren, stand ihm diese Option nicht zur Verfügung. Ihm war deutlich anzusehen, dass er seine Alternativen abwog.
    »Verpissen Sie sich und bringen Sie sich selbst um«, knurrte er schließlich. Dann machte er kehrt und entfernte sich, wobei er mit der Schulter einige der Wichtigen und Prominenten aus dem Weg schob, die sich um uns drängten, um gesehen und vielleicht sogar mit ihm zusammen fotografiert zu werden.
    Danach wurden die Stadien von Steiners Abstieg von der Geister jagenden Gemeinde mit endloser Faszination verfolgt. Betrachtete er sich anfangs noch als General und Kriegsherr, sah er sich mehr und mehr als prominentes

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