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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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überflüssiger Aufwand, auf den ich jederzeit gern verzichten konnte. Die kluge Lösung bestand darin, mit der U-Bahn nach Waterloo zu gelangen und die letzte Etappe zum Woolwich Dockyard mit einer Bahn oberirdisch zu bewältigen. Von dort wäre es nur noch ein kurzer Fußweg.
    Ein kräftiger Wind war im Laufe der Nacht aufgekommen und hatte die Gewitterwolken vertrieben, daher war es sonnig, aber frisch, als ich zur U-Bahn-Station Turnpike Lane ging, und mein Geist klarte allmählich auf. Ich war auch noch aus einem anderen Grund froh über den Wetterumschwung. Am Saum und an der Schulter ziemlich zerfetzt und an der linken Kragenseite mit Blut verkrustet, war mein Paletot vorübergehend
hors de combat
. Ich trug daher den einzigen anderen Mantel in meinem Besitz, der genügend Taschen für all meine Utensilien besaß. Es war ein hellbrauner Trenchcoat mit einem abknöpfbaren Schultercape, in dem ich mir immer vorkam wie ein Exponat in einer Museumsausstellung zum Thema »Der Privatdetektiv im Wandel der Zeiten«.
    Da ich schon sehr früh am Tag auf den Beinen war, konnte ich keine Travelcard benutzen, sondern musste einen Einzelfahrschein lösen. Ich hatte noch keine Vorstellung, wohin mich mein weiterer Weg nach Verlassen der
Collective
führen würde. Vielleicht nach Paddington und zu Rosie Crucis. Es hing davon ab, ob ich irgendwelche Hinweise fände, denen zu folgen sich lohnen würde.
    Bourbon hatte erwähnt, dass Dennis Peace eine Gummiente gewesen war. Im Berufsjargon war damit nur eines gemeint: ein Exorzist, der sich aus beruflichen Gründen entschieden hatte, auf dem Wasser zu leben anstatt auf dem Trockenen. Wir alle probierten das irgendwann einmal aus, und wenn auch nur um eine Nacht ungestört durchschlafen zu können. Geister waren unfähig, fließendes Wasser zu überqueren, und jene morbide Sensibilitätsvariante, die uns erst ermöglicht, unserem Gewerbe nachzugehen, war vorübergehend betäubt. Um auf Dauer ein solches Leben zu führen, musste man jedoch eine ganz spezielle Persönlichkeit haben. Ich hatte immer das Gefühl, als sei ich in einem Kunststoffsack gefangen, in dem sich mein eigener Atem als kalter Schweiß auf meiner Haut niederschlug.
    Die
Collective
war eine Art Hausboot und Basis einer speziellen Gemeinschaft auf der Themse. Jeder in meinem Gewerbe kannte sie, jeder war schon mal dort, aber das hieß nicht, dass man sie so leicht fand, wenn man dorthin wollte. Ebenso wie das Oriflamme zeichnete sich die
Collective
durch Mobilität aus. Schließlich gab es auch noch eine andere Verbindung zwischen beiden, obgleich sie rein zufällig war und allenfalls ein Beweis für die Richtigkeit des »Kleine-Welt-Prinzips«, das durch die Frage »Um wie viele Stellen ist man von Kevin Bacon entfernt?« ausgedrückt wurde. Nur musste man »Kevin Bacon« durch »Peckham Steiner« ersetzen.
    Steiner war eine der wenigen schillernden Legenden unserer Profession. Er war Exorzist, ehe es richtig in Mode kam. Damit meine ich, ehe der plötzliche Anstieg von Erscheinungen und Manifestationen Leute wie mich zu einer Schlüsselindustrie machten. Indem er sich auf spirituelle Eradikationen für die Reichen und Berühmten spezialisierte, gelangte er zu einigem Ruhm oder zumindest zu einiger Bekanntheit – sowie einem Riesenhaufen Schotter. Wenn ich mich recht erinnere, war auch irgendeine amerikanische Erbin daran beteiligt. Ihre verstorbenen Ex-Ehemänner hatten ihr jede Menge Ärger gemacht, ehe Steiner sie vollends ins Jenseits schickte, und aus Dankbarkeit hinterließ sie ihm den größten Teil ihres Vermögens, als sie starb. Ihre Kinder aus allen drei Ehen klagten dagegen, und das Verfahren zog sich über Jahre hin, aber soweit ich weiß, schaffte es keiner, ihm gerichtlich an den Karren zu fahren. Zu diesem Zeitpunkt hatte er ohnehin längst drei Bücher auf dem Markt, einen Vertrag für die Verfilmung seines Lebens in der Tasche und die Aktienmehrheit an ENSURE ™, einer Firma, die Gerätschaften und Verbrauchsmaterial für die Geistervertreibung herstellte. Mit sechsundvierzig setzte er sich, reicher als Gott, zur Ruhe.
    Unglücklicherweise war er auch wahnsinniger als eine Kanalratte. Vielleicht war diese Instabilität schon immer da gewesen. Vielleicht war es auch der ständige Druck, den der Job mit sich brachte, und die dann explosionsartig erfolgte Druckentladung, von einem auf den anderen Tag über genügend Kohle zu verfügen, um sich neu zu erfinden und die Welt entsprechend der eigenen

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