Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
Vom Netzwerk:
jedes Mal vernahmen, wenn dieser Sadist das Megaphon einschaltete. Der Gangster kam eilig aus der Richtung des Mannes, der hinter dem Felsen abseits von ihnen lag. Er baute sich in ihrer Mitte auf und brüllte ins Megaphon. Der Regen schien ihn noch wütender zu machen.
    »Der nächste, der irgendeinen Muckser tut, fliegt runter, genauso wie der da!«
    Er zeigte in die Richtung der Felsklippe und polterte wieder nach hinten. Der Schmallippige mit der Lederjacke konnte sehen, dass seine Schuhe blutbespritzt waren.
     
    Seine Dormicum-Spritze war ausgelaufen, sie lag zerbrochen am Boden, er hatte sie mit dem Oberkörper gerade noch bedecken können. Nach dem wilden Durcheinander vorhin war er so zu liegen gekommen, dass einige der maskierten Leidensgenossen in sein Blickfeld gerieten. Er spähte angestrengt durch die Augenschlitze, er versuchte an der jeweiligen Haltung zu erkennen, wer es war. Die zitternde Gestalt ein Stück vor ihm, das konnte durchaus Gustl Halfinger, die Hotelbesitzerin, sein. Immer gut gelaunt, manchmal ein rechtes Plappermäulchen – jetzt ein Häufchen Elend. Zwei Plätze links von ihm, starr zu Boden blickend, manchmal mit dem Oberkörper zuckend, wie wenn er weinen und aufschluchzen würde – wer war das? Harry Fichtl, der Organisator? Oder Heinz Jakobi, der Manager? Es war unter diesen Umständen nicht zu erkennen. Aber das war ja wohl genau der Plan des Gangsters gewesen. Sein Blick blieb an der nächsten Lady-Gaga-Gestalt hängen. Hier war er sich ganz sicher. Diese Gestalt war größer als alle anderen. Das musste der Zweimeterhüne Siegfried Schäfer sein. Er war Oberforstrat im Kurort, er kannte sich aus in Wald und Flur, er hatte ihnen beim Weg nach oben viele landschaftliche Besonderheiten des Berges erklärt. Ganz in seiner Nähe saß jemand, der sich die ungefesselte Hand an die Brust hielt, als würde er eine Demutsgeste einnehmen. War das Dietrich Diehl, der ewige Esoteriker? Aber klar: Der meditierte oder hatte sich sonst wie in Trance versetzt! Das war
seine
Taktik, die schreckliche Situation zu meistern. Wahrscheinlich war er gerade dabei, positive Energiefelder aufzubauen. Aber war das wirklich Diehl? Ganz sicher war sich der Mann mit der Lederjacke nicht.
     
    Neben dem Holzkasten unter dem Gipfelkreuz lag das Gipfelbuch, in dessen nassen Seiten der Wind blätterte. Ganz in der Nähe befand sich ein kleines schwarzes Kästchen, das einer Filmdose oder einem kleinen Nähetui ähnlich sah. Es trug die Aufschrift CE 1415 . Bei genauerem Hinsehen hätte man die Aufschrift
Bitte nicht zerstören
lesen können. Aber heute Vormittag hatte noch keiner die Gelegenheit gehabt, genauer hinzusehen. Die Dose war ein Geocache-Kästchen, und der dazugehörige Geocacher war auf dem Weg nach oben, er befand sich auf halber Strecke der Bergtour.
     
    Er kam gut voran. Das Unwetter machte ihm überhaupt nichts aus, wie viele begeisterte Bergsteiger fand er so ein Naturereignis eher erfrischend – Wanderwetter war etwas für Weicheier. Kurz nachdem er die halbe Strecke zurückgelegt hatte, kamen ihm drei Wanderer entgegen, sie sprachen ihn an, aber er hörte sie nicht, er hatte seine Ohrstöpsel eingesteckt. Er grüßte einfach zurück. Schuberts
Streichquartett Nr.  3
war zu monumental, um mittendrin abzubrechen. Er stapfte weiter, der Bergweg beschrieb eine enge Kehre, danach versperrte ihm ein Warnschild den weiteren Aufstieg. Jetzt erst nahm er die Ohrstöpsel ab. Missmutig drückte er Stopp.
     
    WEGEN FORSTARBEITEN GESPERRT .
SPRENGUNGEN .
LEBENSGEFAHR !
     
    Verwundert schüttelte er den Kopf. Er hatte im ›Rucksackradio‹ nichts von Forstarbeiten oder gar Sprengungen gehört. Er verließ den Pfad, schlidderte eine kleine Strecke bergab, fand einen Schotterabhang und kletterte diesen wieder hinauf. Er war jetzt froh, trotz des Unwetters losgegangen zu sein. Denn nun klarte das Wetter wieder auf, er hatte einen herrlichen Blick über das Tal hinüber zur Wettersteinwand. Es war ein plötzlicher Wolkenbruch gewesen, und genauso schnell war er wieder zu Ende. Er kannte sich hier aus. Er hatte diese Bergtour auf 47 ° 30 ' 28 '' nB 11 ° 2 ' 52 '' öL schon öfters gemacht, mindestens fünfmal, er kam auch ohne Wegweiser voran. Und mit dem GPS war es ein Kinderspiel. In einer halben Stunde würde er auf dem Gipfel sein.
     
    Der Geocacher blickte ins Tal und hörte dazu weiter Schubert. Schubert passte immer. Er hatte Franz Schubert in den Rocky Mountains gehört, in einem

Weitere Kostenlose Bücher