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Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Faust bohrte sich in seine Magengrube, ihm wurde übel, er taumelte. Doch er riss sich zusammen.
    »Keine Angst! Ich helfe Ihnen!«
    Er wusste, dass seine Stimme brüchig klang. Das Wimmern der Frau verstärkte sich. Vorsichtig zog er ihr die Maske ab. Erstaunt blickte er in ein zerfurchtes Männergesicht. Die trüben Augen blickten hilflos ins Leere. Das Gesicht des Mannes schien noch starrer als das der Maske.
    »Ich helfe Ihnen«, rief er dem Verletzten nochmals ins Ohr. Der Geocacher hatte keine Ahnung, wie.

25

    Hundert Kilometer nördlich vom Kurort lag die große Stadt. Auf eine Wohnsiedlung brannte die Sonne besonders heiß herunter, hier wehte kein kühles alpines Lüftchen. Eine der Haustüren öffnete sich, und ein gepflegter junger Mann mit abstehenden Ohren trat heraus. Er kaute noch an seinem Marmeladenbrot. Zwei Nachbarinnen im Garten gegenüber, die unter einem Sonnenschirm Eiskaffee schlürften, stießen sich an und deuteten mit einer Kopfbewegung in seine Richtung.
    »Schon mal gesehen?«, sagte die eine zur anderen.
    Der junge Mann mit den abstehenden Ohren schloss die Tür und drehte den Schlüssel mehrmals herum.
    »Nein, der muss neu eingezogen sein.«
    »Was wird der wohl für einen Beruf haben?«
    »Auf jeden Fall etwas Seriöses. Bankangestellter. Finanzbeamter. So etwas in der Art.«
    »Dafür hat er zu unregelmäßige Arbeitszeiten. Mitten am Tag geht der erst aus dem Haus.«
    »Vielleicht ein Künstler? Ein Architekt?«
    »Zu ordentlich. Eher sowas wie Kindergärtner. Es gibt ja inzwischen auch schon Männer, die Kindergärtner sind.«
    »Am Nachmittag?«
    »Spätschicht.«
     
    Der Kindergärtner ging die Straße entlang. Sein Ziel war die nahe gelegene S-Bahn-Station. Die S-Bahn fuhr ein. Er blickte auf die Uhr. Sie würden schon auf ihn warten. Er hatte ein bisschen getrödelt. Aber die Erdbeermarmelade seiner Mutter … Im Abteil saß ihm eine Frau gegenüber. Sie musterte ihn von oben bis unten. Sie kniff die Augen zusammen und stellte sich seinen Beruf vor. Arzt? Nein, nichts Soziales. Zu starrer, abweisender Blick. Lufthansapilot? Nichts Technisches. Nach zwei Stationen kam sie zu dem Schluss, dass er wie ein Abteilungsleiter aussah. Die Schuhe sauber gewienert, den Körper durch reichlich Sport fit gehalten. An der nächsten Haltestelle änderte sie ihre Meinung. Der ist Sportlehrer, dachte sie. Das ist ein Tennislehrertyp, Bademeister, Skilehrer, sowas in der Art. Oder Masseur. Greift hin, packt richtig zu, knetet einen durch.
     
    Der Masseur stieg aus. Er betrachtete seine Hände. Er hatte das Gefühl gehabt, dass die Frau gegenüber dauernd auf seine Finger gestarrt hatte. Er fuhr die Rolltreppe hinauf. Oben auf dem großen Stadtplatz stand schon der Reisebus mit der Aufschrift:
Fröhlich’s Fernreisen.
Langsam schlenderte er auf den Bus zu. Die Tür stand auf, er stieg ein und suchte nach einem freien Platz. Die Mitfahrer begrüßten ihn stumm nickend. Er setzte sich. Nach zehn Minuten hatten sie die Autobahn erreicht. Er sah aus dem Fenster: Sie fuhren also in den Süden. Niemand sprach etwas, niemand telefonierte. Jeder war hochkonzentriert. Niemand hatte eine Ahnung, ob es eine Übung oder ein knallharter Einsatz werden würde. Niemand wusste, ob im Gepäckraum Platzpatronen in den Gewehren steckten oder scharfe Munition.
     
    Vorne neben dem Fahrer stand ein Mann mit olivgrüner Baskenmütze. Er griff nach dem Mikrophon, räusperte sich und drehte sich zu den Männern um.
    »Es geht um einen Stand-by-Einsatz. Wir bereiten uns auf eine Geiselbefreiung vor. Es gibt bisher nur vage Hinweise darauf. Ich kann euch deshalb leider nichts Konkreteres sagen. Nur so viel: Wir fahren bis zur österreichischen Grenze. Möglich, dass es beim Einsatz gebirgig wird.«
     
    Der nette junge Mann mit den abstehenden Ohren, der eben noch ein Marmeladebrot gegessen hatte, griff jetzt in die Tasche, holte eine Cremedose heraus und begann, sich das Gesicht grünschwarz zu färben. Alle anderen netten jungen Männer taten es ihm gleich.

26

    Hauptkommissar Ludwig Stengele drängte zur Eile.
    »Ja, ja, ich mach ja schon«, grantelte der einheimische schnauzbärtige Bergwachtpilot. »Mehr als Rakete geht nicht.«
    Doch dann drückte er den linken Steuerknüppel des Hubschraubers, der Motor jaulte hell und kreischend auf, sie hoben ab und gingen sofort in einen rasanten Steigflug über. Das Tal vergrößerte sich rapide unter ihnen, die Wiesen verwandelten sich in bunte, geometrische Figuren,

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