Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
vorbei und über Landstraßen zum Hof der Souliers. Sabine erwartete sie bereits mit einer Kanne Kaffee und selbstgebackenen madeleines. Ihr Mann kam aus der Scheune, um sie zu begrüßen. Als Bruno fragte, wo er mit den Frauen ungestört reden könne, führte Maurice sie auf eine von Weinranken beschattete Terrasse hinaus und ließ sie allein. Sabine freute sich offenbar, Gäste im Haus zu haben, und summte ein Lied vor sich hin, als sie nach oben ging, um das Gästebett zu beziehen und Handtücher bereitzulegen.
»Ich war so dumm«, sagte Francette beschämt. »Ich bin schuld, dass Vater tot ist, und jetzt habe ich nicht nur mich, sondern auch noch Mutter in Gefahr gebracht.«
»Erzählen Sie von Anfang an«, sagte Bruno. »Warum haben Sie Ihren Job im Supermarkt aufgegeben?«
»Ich habe diesen Typen kennengelernt. Er ist älter als ich, aber noch ziemlich fit, wenn Sie verstehen.« Sie beschrieb, wie er sich mit ihr an der Kasse unterhalten und sie dann zum Essen eingeladen hatte. Er hatte sie nach der Arbeit in seinem Sportwagen abgeholt und war mit ihr nach Bergerac in ein Restaurant gefahren, danach zum Tanzen in einen Nightclub und schließlich nach Hause.
»Er war sehr nett zu mir, hat mir nur einen Kuss auf die Wange gegeben und gefragt, ob wir uns wiedersehen würden. Dann brachte er Blumen, und wir sind wieder ganz groß essen gegangen. Weiße Tischdecke und so weiter. Er kennt sich gut mit Weinen aus. Danach waren wir in einer dieser Discos in Périgueux, von denen die anderen Mädchen immer gesprochen haben. Für mich war das alles neu.«
Bruno nickte verständnisvoll. Er konnte sich alles Weitere denken. Ein Mädchen aus armer Familie, das ausgeführt und wie eine Prinzessin verwöhnt wurde. Die beiden waren dann nach Bordeaux gefahren, wo er sie in einen vornehmen Friseursalon geführt und ihr schicke Kleider und Unterwäsche gekauft hatte, von ihm selbst ausgewählt. Und am Nachmittag waren sie in ein Boutique-Hotel gegangen.
»Léo war so lieb, so süß«, schwärmte sie. Bruno konnte sich gut vorstellen, dass ein so erfahrener Verführer sehr viel interessanter sein musste als die tölpelhaft fummelnden Jungs aus Saint-Denis.
»Ist Léo sein richtiger Name?«, fragte er. Nein, antwortete sie, so habe sie ihn genannt. Tatsächlich heiße er Lionel.
Übers Wochenende waren sie dann nach Paris gereist und in einem Hotel am Quai Voltaire untergekommen, direkt an der Seine. Sie hatten einen Joint geraucht, der sie, wie sie sagte, regelrecht umgehauen habe, und sich dann geliebt. Am Abend waren sie in der berühmten Disco Queen an den Champs-Elysées gewesen.
»Vor der Tür standen die Leute Schlange, aber Léo und ich wurden sofort durchgewinkt«, sagte Francette und schien immer noch stolz darauf zu sein. Selbst in ihrer jetzt sehr niedergeschlagenen Stimmung ließ sie erkennen, dass sie sich ihrer Reize und Attraktivität inzwischen vollauf bewusst war. In der Disco, sagte sie, habe sie zum ersten Mal Kokain geschnupft.
Am nächsten Tag seien sie spät aufgestanden und wieder shoppen gegangen. Am Abend habe Léo sie zu einer Party mitgenommen, wo es wieder Kokain und jede Menge Champagner gab. Plötzlich hätten sich die Gäste ausgezogen. Dass Léo sich mit einer anderen Frau und einem Mann vergnügte, sei ihr so selbstverständlich vorgekommen, dass sie mitgemacht habe. Francette schaute Bruno trotzig an und sagte, dass es ihr Spaß gemacht habe. Und dann seien sie eine Woche lang in Saint-Tropez gewesen. Es habe wieder Kokain und weitere Sexpartys gegeben, in einer Villa, in Hotelsuites und sogar auf einer Yacht. Als Léo ihr schließlich den Job in der auberge anbot, habe sie sofort zugesagt.
Bruno spürte kalte Wut in sich aufsteigen, Wut auf Foucher, der mit zynischen Tricks eine unerfahrene junge Frau verführt hatte, die für Bruno noch das Mädchen war, an das er sich erinnerte.
»Ich habe mir, was diesen Job angeht, keine Illusionen gemacht«, sagte Francette fast wieder trotzig, vermied es aber, Bruno in die Augen zu schauen. Ihre Mutter hatte eine Hand auf den Arm der Tochter gelegt und hörte schweigend zu. »Ich wusste, was auf mich zukam, und hätte es auch ohne die tausend Euro getan, die er mir zugesteckt hat. Als Einstiegsprämie, wie er sagte.«
Aber unter Drogeneinfluss und im Beisein von Léo Sex mit anderen zu haben war etwas anderes als Fremde zu bedienen, die kein Französisch sprachen und sie mit auf ihre Zimmer in der auberge nahmen. Und es war beileibe kein
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