Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
Vergnügen, wenn ein solcher Freier, um in Fahrt zu kommen, darauf bestand, sie zu schlagen. Und dann gab es diese Rollenspiele: Arzt und Krankenschwester, Polizist und Gefangene, Priester und Nonne. Manche Klienten verlangten Vorführungen, Mädchen mit Mädchen, und machten dann mit ihren Smartphones Videoaufnahmen. Beliebt waren auch Bestrafungsspiele, bei denen die Mädchen verhauen werden durften. Aber solange Kokain zur Verfügung stand, sagte Francette, habe ihr das alles kaum etwas ausgemacht.
Eines Nachts hatten Léo und Béatrice sie mit ein paar anderen Mädchen durch einen langen Tunnel in den Gouffre geführt. Sie waren als Nonnen verkleidet und spielten in der Marienkapelle eine Szene, die gefilmt wurde. Dort war ihr der Mann wieder begegnet, der sich Graf nannte und den sie auf der ersten Orgie in Paris kennengelernt hatte.
»Haben Sie diese Frau schon einmal gesehen?«, fragte Bruno und zog das Foto von Athénaïs aus der Tasche.
Francette nickte. »Das ist Tina. Sie war mit uns in der Höhle.«
»Tina? Wurde sie so genannt?«, fragte Bruno. Vielleicht eine Koseform von Athénaïs, dachte er.
»Ich hatte sie gern. Sie war lieb zu mir, nachdem ich das erste Mal geschlagen worden bin. Léo hatte sich in der Höhle als Priester verkleidet. Sie ist voll auf ihn abgefahren, obwohl sie eigentlich den Grafen wollte. Sie kannten sich angeblich aus New York und hatten eine Affäre. Sie war verliebt in ihn und sagte, er wolle ein Filmprojekt über eine Urahnin von ihr finanzieren, die Geliebte von Ludwig XIV. war. Sie hat von nichts anderem gesprochen, es war eine regelrechte Obsession. Einmal hat sie sogar gesagt, sie sei eine lebende Reinkarnation dieser Madame de Montespan. Mir hat sie sogar eine Nebenrolle angeboten, aber sie würde natürlich die Hauptrolle spielen.«
»War auch von einem Liebeselixier die Rede?«, wollte Bruno wissen. Es fiel ihm schwer, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr er auf Francettes Zeugenaussage brannte. Gleichzeitig konnte er nur mit Mühe seine Empörung verbergen. Sie war erst achtzehn. Sie hätte im Tennisclub Doppel spielen und mit einem Gleichaltrigen in irgendeinem einfachen Restaurant Händchen halten sollen, statt sich älteren Männern der Rüstungslobby anzubieten.
»Wissen Sie davon, von der schwarzen Messe?«, fragte sie erstaunt.
Er nickte. »Wollte Tina sicherstellen, dass sich der Graf in sie verliebt?«
»Verrückt, nicht wahr? Aber Tina war überzeugt davon. Sie sagte, es habe schon bei Ludwig XIV . funktioniert.«
»Waren Sie dabei?«
»Nein. Léo hat die ganze Sache organisiert. Tina wollte die schwarze Messe in einer richtigen Kirche feiern, und er meinte, es gäbe da oben am Fluss eine Familienkapelle. Er und Richard sind mit ihr dorthin. Richard ist Libanese, behauptet aber, christlich erzogen worden zu sein.«
»Haben Sie Tina danach noch einmal gesehen?«
Francette schüttelte den Kopf. »Sie sagten, es habe nicht geklappt und sie sei zurück nach Paris. Erst als mir maman von der toten Frau im Kahn berichtet hat, wusste ich, um wen es ging. Ich hatte ohnehin schon ziemlich viel Angst, aber das hat mir den Rest gegeben. Deshalb wollte ich mit Ihnen sprechen.«
»Haben Sie in der auberge denn nicht Zeitung gelesen, Radio gehört oder ferngesehen?«
»Die Kunden hatten zwar Fernseher auf den Zimmern, wollten aber immer nur Pornos sehen.«
»Hat Ihr Vater noch einmal versucht, Kontakt mit Ihnen aufzunehmen?«, fragte er.
Francette schüttelte den Kopf und ergriff die Hand ihrer Mutter. Fast versagte ihr die Sprache, als sie nun ihren Bericht fortsetzte. Im Nachhinein glaube sie, er sei doch noch einmal zum Hotel gekommen, und zwar in der Nacht, nachdem er mit Bruno bei ihr gewesen und mit ihr gesprochen habe. Schon beim Abendessen hätte die Bedienung auf Verlangen der Gäste oben ohne serviert, und dann sei es richtig hoch hergegangen – eine Party nach dem Motto Ärzte–Krankenschwestern. Es seien irgendwann Stimmen laut geworden, weil man hinter einem der Fenster einen Spanner entdeckt hätte. Béatrice sei nach draußen gegangen, kurz darauf zurückgekehrt und habe gesagt, die Störung wäre beseitigt. Francette hatte sich zu diesem Zeitpunkt nichts dabei gedacht und erst später vermutet, dass ihr Vater dahintersteckte.
»Deshalb fühle ich mich schuldig«, sagte sie tonlos. »Bestimmt hatte er diesen Unfall, weil er so aufgebracht war.«
Bruno hielt es für unpassend, sie jetzt schon über die wahren Umstände aufzuklären. Er
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