Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
und plötzlich im Augenwinkel wieder den anderen Reiter wahrnahm, der auf einem Schimmel saß.
Sein Vergnügen wurde geschmälert, als ihm bewusst wurde, dass er doch nicht ganz allein war mit seinem Pferd, das er liebte, in den Wäldern, die er kannte. Es war albern, wie er sich selbst eingestehen musste. Seine Verbundenheit mit der Natur brauchte nicht die Einsamkeit, und die Wälder waren groß genug für alle. Als er Hector am Ende der Schneise allmählich zügelte, wurde er schnell wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt. Er zog sein Handy aus der Tasche und sah, dass Pamela ihn zu erreichen versucht hatte. Während er darauf wartete, dass die Stuten Bess und Victoria langsam trottend zu ihm aufschlossen, rief er sie zurück.
»Wie geht es deiner Mutter?«, fragte er, nachdem sie sich begrüßt hatten.
»Unverändert. Meine Tante behauptet zwar, Mutter erkennt uns, aber daran zweifle ich. Auf alle, die ins Zimmer kommen, ob Arzt, Schwester oder auch Putzfrau, reagiert sie gleich. Wie dem auch sei, ich muss eine Entscheidung treffen. Die Ärzte meinen, sie sei stabil genug, um aus dem Krankenhaus entlassen zu werden.«
Ihre Mutter war auf Pflege angewiesen, rund um die Uhr. Pamela hatte sich bereits verschiedene Heime angesehen, doch die einzigen, die ihr geeignet schienen, waren unverschämt teuer, so teuer, dass schon nach wenigen Jahren der Erlös aus dem Verkauf des Elternhauses und alle Ersparnisse aufgebraucht sein würden. Es war natürlich auch möglich, sie nach Frankreich zu holen. Pamela war sich jedenfalls darüber im klaren, welche emotionale Belastung es sein würde, eine völlig apathische Mutter zu betreuen. Sie hatten sich schon am Telefon darüber unterhalten. Es gab keine befriedigende Lösung.
Um sie aufzumuntern, berichtete Bruno ihr von seinem Ausritt, von den Pferden und dem seltsamen Fall der toten Frau im Kahn, dem Pentagramm, den Kerzen und der leeren Wodkaflasche.
»Welche Marke?«, fragte Pamela sofort.
»Keine Ahnung. Die Flasche ist jetzt im Labor und wird nach Fingerabdrücken untersucht. Vielleicht lässt sich auch feststellen, was drin war. Was ist so wichtig an der Marke?«
»Wenn es eine seltene ist, könnte das eine Spur sein. Ich weiß auch nicht, aber es kam mir so vor, als ob das wichtig sein könnte.« Sie stockte. »Hör zu, Bruno, ich werde nächste Woche für ein paar Tage zurückkommen. Es stehen mehrere Behördengänge für mich an, und ich will mir ein Bild davon machen, ob es tatsächlich möglich wäre, meine Mutter zu mir nach Hause zu holen. Vielleicht lässt sich eine junge Schulabgängerin auftreiben, die bei mir saubermachen und gleichzeitig meine Mutter im Auge behalten könnte, eine Art Babysitterin, die mich entlasten würde.«
»Du weißt, wie hoch der Mindestlohn hier ist, und für die Sozialabgaben kannst du noch einmal das Gleiche draufschlagen«, erwiderte Bruno. »Aber ich kann mich ja auch schon mal umhören.«
Sie beendeten das Gespräch. Bruno bemerkte, dass Bess und Victoria, die schon ungezählte Male mit Pamela diese Strecke gelaufen waren, am Ende der Schneise angekommen waren und nun im leichten Trab kehrtmachten. Hectors Ohren zuckten; er wollte ihnen folgen, wartete aber auf Bruno, der das Handy wegsteckte, sein Pferd antrieb und mit der Frage beschäftigt war, wie sich die Pflege der kranken Mutter im Haus der Tochter auf seine Liaison mit Pamela auswirken könnte. Plötzlich sah er wieder ein fremdes Pferd zwischen den Bäumen hervortreten, von einer großen Gestalt am Zügel geführt. Es war weiß und wahrscheinlich dasselbe, das er schon zuvor gesehen hatte.
»Können Sie mich jetzt hören?«, rief eine Frauenstimme. Sie stand auf der abgewandten Seite des Pferdes, nahm den schwarzen Reithelm vom Kopf und zog an einer Schleife in ihrem Nacken, worauf ihr ein Wust dunkler, glänzender Haare über die Schultern fiel. Als sie hinter dem Pferd hervortrat, hörte er Sporen an ihren Reitstiefeln klirren. Pamela hatte ihm geraten, auf Sporen zu verzichten, da die Arbeit mit einem Pferd auf Vertrauen beruhen sollte und nicht auf Furcht. Es dauerte eine Weile, bis er in der Reiterin die Frau aus dem weißen Sportwagen wiedererkannte. Er erinnerte sich an ihren Namen: Eugénie.
»Ja, ich kann Sie hören. Aber ich wüsste nicht, dass Sie vorher schon einmal gerufen hätten. Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er und hielt an.
»Mein Pferd lahmt ein bisschen. Ich glaube, mit einem der Eisen stimmt was nicht.« Sie hatte einen Pariser
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