Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
und fuhr die Maschine aus der Scheune auf den Hof.
»Können Sie mir helfen, die Egge anzuspannen?«, fragte er und stieg wieder ab. »Ich will heute noch Kartoffeln setzen.«
Bruno schleppte mit ihm die breite Telleregge aus der Scheune und half, sie mit der Zugstange zu verbinden. Danach schaltete Junot den Motor aus und drehte sich, an das hohe Hinterrad gelehnt, eine dünne Zigarette.
»Sie wollen mich festnehmen?«
»Geben Sie mir eine ehrliche Antwort. Schlagen Sie Ihre Frau?«
»Es ist nicht so, wie Sie denken.« Junot steckte sich die Zigarette an und blinzelte Bruno durch den Rauch hindurch an. »Es geht um Francette. An einem Samstag ist sie einfach verschwunden, kam dann zwei Tage später wieder und trug schicke Klamotten. Auch die Haare hatte sie sich machen lassen und roch nach Parfüm. So hübsch habe ich sie noch nie gesehen.«
Junot schüttelte den Kopf und schmunzelte sogar ein wenig bei der Erinnerung. Aber dann verdüsterte sich seine Miene wieder. Ihm war deutlich anzusehen, wie sein Vaterstolz mit seiner Sorge um die Tochter und seiner Scham darüber im Widerstreit lag, ihr nicht das Leben bieten zu können, das sie sich wünschte.
»Sie war wie ausgewechselt, und das nicht nur äußerlich«, fuhr Junot in härterem Tonfall fort. »Sie verhielt sich auch anders, war irgendwie aufgedreht. Wo sie gewesen war und wer die neuen Sachen bezahlt hat, wollte sie nicht sagen.«
Er wurde still. Nach einer Weile fragte Bruno: »Und dann?«
»Dann ist sie wieder gegangen, für eine ganze Woche, ohne uns zu sagen, wohin. Ich wusste nicht weiter und war drauf und dran, Sie oder die Gendarmerie anzurufen. Aber meine Frau war dagegen. Sie meinte, wir müssten sie ziehen lassen und ihr gönnen, dass sie ihren Spaß hat. Wir, Brigitte und ich, hatten deswegen Streit, und dann tauchte Francette wieder auf, wieder mit neuen Klamotten, Armreifen und einem Goldkettchen am Fußgelenk. Und dann sagte sie, dass sie ausziehen und im Supermarkt kündigen will. Das hat mich umgehauen. Wir sind auf das Geld angewiesen, das sie verdient. Zugegeben, uns war natürlich klar, dass sie eines Tages das Haus verlässt. Aber wir haben schwere Jahre hinter uns, und ich wusste nicht, wie es weitergehen soll. Darüber gab’s wieder Streit, es wurde laut, und dann hat sie mich einen nichtsnutzigen alten Säufer genannt.«
»Was haben Sie zu ihr gesagt?«
»Was glauben Sie? Was soll ich davon halten, wenn sie nach einem Wochenende mit teuren Sachen, Schmuck und einer neuen Frisur zurückkommt? Wenn sie einen vorzeigbaren Freund hätte, wäre alles in Ordnung. Aber sie wollte uns nichts sagen. Bruno, ich habe Angst um sie und fürchte, sie ist vielleicht an einen Zuhälter geraten. Davon hört man ja immer wieder. Zugegeben, ich war nicht ganz nüchtern und habe von ihr verlangt, sie soll gefälligst zuhause bleiben und sich nicht wie ein billiges Flittchen herumtreiben. Und dann ist es passiert.«
Bruno nickte nur verständnisvoll, weil er Junot nicht unterbrechen wollte.
»Ich habe sie nach oben in ihr Zimmer geschickt wie früher, als sie noch jünger war. Aber sie hat nur gelacht. Ich habe versucht, sie die Treppe hochzustoßen. Und dann fing die Schreierei an. Sie hat mich geschlagen, worauf ich ihr eine Ohrfeige gegeben habe, die gar nicht so fest ausfallen sollte. Sie ist gestürzt, und dann war Brigitte da, die mich in die Küche zurückgezerrt hat. Ihr habe ich auch eine verpasst. Sie ist vor die Tischkante geprallt und dann mit dem Gesicht auf den Stuhl.«
Er wurde still und starrte vor seine Füße. »Wir sind zwanzig Jahre verheiratet, und es war das erste Mal, dass mir die Hand ausgerutscht ist. Ich wünschte, es wäre nicht passiert.« Er zog an seiner Zigarette, aber sie war ausgegangen und zu weit abgebrannt, als dass er sie wieder hätte anstecken können. Er warf die Kippe weg und blickte auf. »Werden Sie mich jetzt festnehmen?«
»Erzählen Sie mir, was dann passiert ist«, sagte Bruno.
»Es war schlimm, Nasenbluten und so. Ich habe Brigitte das Blut abgewischt und sie nach oben gebracht. Als ich wieder runterkam, war Francette weg. Mir war, als hätte ich ein Auto gehört. Danach hat sie sich nicht mehr gemeldet. Wenn sie von ihrem Freund abgeholt worden ist, muss er aus der Gegend sein, denn ich war nicht lange oben.«
»War es wirklich das erste Mal, dass Sie Brigitte geschlagen haben?«
Junot nickte. »Ich wollte sie in die Klinik bringen, damit sie versorgt wird. Sie hatte einen riesigen
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