Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
während der Rechner hochfuhr. Die meisten Umschläge enthielten Broschüren für die Musikveranstaltungen im Sommer. In den alten Kirchen würden die üblichen Streichquartette auftreten und auf den Marktplätzen würde Jazzmusik zu hören sein. Er tippte sein Passwort in die Maske auf dem Bildschirm und öffnete seinen E-Mail-Eingang. Dort fand er eine Bekanntmachung der Präfektur über neue Geschwindigkeitsbegrenzungen und eine Nachricht von Isabelle, die sich so kurzfasste wie immer.
»Habe zwei Tage frei. Komme morgen mit einem ganz besonderen Geschenk von mir und dem Brigadier. Bisous, Isabelle. xx.«
Isabelles E-Mails waren wie Kreuzworträtsel mit angehängten Nettigkeiten. Er beugte sich nah an den Bildschirm heran und versuchte, zwischen den Zeilen zu lesen. Auf bisous konnte man sich nicht viel einbilden, sie waren nicht mehr als ein zugeworfenes Luftküsschen, das auch einer alten Schulfreundin oder Cousine gelten mochte. Die beiden xx machten es ein bisschen persönlicher, ohne erkennen zu lassen, ob Isabelle irgendwelchen Avancen seinerseits mit offenen Armen begegnen würde. Was mit »morgen« gemeint war, ließ sich ebenfalls nur erahnen, da sie die E-Mail zwei Minuten nach Mitternacht abgeschickt hatte. Womöglich würde sie schon gleich auf der Matte stehen. Darum, dass er ein Hotelzimmer für sie buchte, hatte sie nicht gebeten, was aber wohl nicht als Hinweis darauf zu verstehen war, dass sie bei ihm übernachten wollte. Ob er sie vom Bahnhof abholen konnte oder wann und wo sie sich treffen sollten – auch davon war nicht die Rede. Und was hatte es mit dem ganz besonderen Geschenk auf sich? Da auch ihr Chef, der Brigadier, daran beteiligt war, schien es sich jedenfalls nicht um etwas Persönliches zu handeln. Es gab ihrer Reise vielmehr einen fast offiziellen Charakter. Wie sollte er bloß auf diese Mail reagieren?
Nach einigem Überlegen tippte er: »Schöne Überraschung. Bin gespannt auf das Geschenk. Kommst Du am 18. oder 19.? Und können wir dann noch gemeinsam zu Abend essen? Wo sollen wir uns treffen? Bisous und fühl Dich gedrückt, Bruno.«
Er las noch einmal durch, was er geschrieben hatte. »Wo sollen wir uns treffen?« klang vielleicht ein bisschen nach Überrumpelung, erschien ihm aber durchaus gerechtfertigt als Antwort auf ihre vagen Formulierungen. Entschlossen drückte er die Taste und schickte die Mail ab. Sekunden später erreichte ihn eine andere Mail, und fast gleichzeitig klingelte sein Telefon auf dem Schreibtisch.
»Morgen heißt heute. Sitze schon im Zug und bin unter meiner Mobilnummer zu erreichen. Warnung: In meinem Schlafzimmer schläft ein anderer – auf dem Boden. Lass Dich wissen, wann ich ankomme. Msg ETA . Ixx«
Sie konnte seine Antwort noch nicht bekommen haben, als sie diese zweite Mail abgeschickt hatte. Immerhin wusste er nun, wann sie ankommen würde. Aus Paris trafen täglich vier Züge in Saint-Denis ein. Das mit dem anderen im Schlafzimmer konnte wohl nur als Versuch zu deuten sein, ihn aufzuziehen. Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, griff er zum Hörer.
»Bruno, ich bin’s, der Baron. Ich muss unbedingt mit dir sprechen, aber nicht am Telefon. Könntest du zu mir herauskommen? Bitte diskret, in Zivil. Und park den Wagen lieber hinterm Haus.«
Der Baron rechnete offenbar damit, dass Claire, die in der Telefonzentrale der Mairie saß und allzu gern Klatschgeschichten aufschnappte, möglicherweise mithören würde. Bruno musste ihr gegenüber nicht viel verheimlichen und konnte in besonderen Fällen auch sein neues Handy benutzen, das gegen Lauschangriffe geschützt war. Der Brigadier hatte es ihm während ihrer letzten Zusammenarbeit gegeben. In seinem Transporter lag immer eine dunkle Windjacke bereit, mit der er nicht auffallen würde. Er vergewisserte sich, Notizbuch, Handy und Taschenlampe bei sich zu haben, steckte auch ein Paar Latexhandschuhe und Beweismitteltüten in die Tasche und meldete sich bei Claire ab. Mit dem Handy fragte er Isabelle per SMS , wann sie eintreffen werde, und eilte die Treppen hinunter.
Der Baron wohnte in einer chartreuse, einem historischen Gebäude mit nur einem großen Saal, zu klein, um als Château bezeichnet zu werden, aber größer als ein Landhaus. Es war seit Jahrhunderten im Familienbesitz. Vom Fluss aus sah man nur den hinteren Teil, eine geschlossene Steinmauer mit einer Reihe von Schießscharten zwischen zwei stämmigen Türmen. Auf der anderen Seite führte eine mit Kies bedeckte
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