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Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)

Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)

Titel: Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walker
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Zufahrt durch einen Torbogen in den Hof und vor eine etwas schmuckvollere Fassade. Wie immer blieb Bruno eine Weile in seinem Wagen sitzen und betrachtete den Renaissancebau, dessen strenger Festungscharakter von hohen Fenstern, einem hübschen Treppenaufgang und einer balustrierten Terrassenbrüstung aufgelockert war. Auf dem großen, eisenbeschlagenen Eingangstor waren immer noch Brandspuren zu sehen, die aus der Zeit der Revolution von 1789 stammten. Weil sie die Festung nicht einnehmen konnten, hatten aufständische Bauern den Sitz ihres feudalen Unterdrückers niederzubrennen versucht. Ebendieser Vorfahr des Barons war später in Napoleons Generalstab berufen worden, weshalb der Baron heute noch gern frotzelte, dass die Bauern sich an ihm verhoben hätten.
    Die Tür öffnete sich, und der Baron kam heraus. Er winkte mit seinen Wagenschlüsseln. »Marcel von der Teufelshöhlehat mich angerufen«, sagte er. »In die Grotte wurde vergangene Nacht eingebrochen, und er will, dass wir uns ein Bild machen. Er klang sehr besorgt.«
    »Hat er Einzelheiten genannt?«, fragte Bruno.
    Der Baron schüttelte den Kopf. »Er meinte nur, dass es vielleicht einen Zusammenhang mit der toten Frau gibt, die du aus dem Fluss geholt hast.« Er führte Bruno durch den Hof auf die Scheune zu, in der seine Autos standen. Statt in den neueren Mercedes bat er ihn, in den alten Peugeot einzusteigen. Gemeinsam fuhren sie durch den kleinen Ort, an den die Kartause angrenzte, und den Hügel hinauf.
    Die Gouffre de Colombac war eine der größten Höhlen in der Region und Teil der ausgedehnten Ländereien des Barons. Im Unterschied zu den berühmteren Höhlen wie der von Lascaux mit ihren prähistorischen Wandgemälden und Ritzzeichnungen war sie einfach nur eine riesige Grotte, bestehend aus einem fast kreisrunden Raum, der gut hundert Meter im Durchmesser maß und fast ebenso hoch war. Den Raum durchschnitt ein unterirdischer Fluss, der in einen unheimlichen, stillen See mündete. Gelegentlich fanden hier Konzerte statt. Die Musiker spielten auf der einen Seite des Flusses, das Publikum saß auf der anderen auf Stühlen, Bänken oder den Steinstufen, die die Natur in die Felswand gemeißelt hatte. Bruno hatte schon häufiger solche Konzerte besucht, war aber einmal extra gekommen, nur um die Höhle zu besichtigen, die eine der größten in Frankreich war und einen finsteren Ruf hatte.
    Seit Jahrhunderten wurde die Grotte von den Anwohnern die Teufelshöhle genannt, weil es manchmal aus einem Loch im Gestein darüber herausdampfte. Dieses Phänomen war inzwischen geklärt und konnte auf eine Form von Kondensation im Mikroklima der riesigen Höhle zurückgeführt werden und nicht, wie die Bauern früher glaubten, auf den Rauch des Höllenfeuers. Ganz in der Nähe führte ein alter Pilgerpfad vorbei, der am Schrein von Rocamadour seinen Ausgang nahm und über die Abtei von Cadouin bis nach Santiago de Compostela im Nordwesten Spaniens führte. Er hatte früher viele Räuber und Banditen angelockt, die wehrlosen Pilgern auflauerten und sie in das dampfende Loch stießen. Als die Höhle im 19.   Jahrhundert erstmalig erkundet worden war und sich ein unerschrockener Forscher durch das Loch hatte abseilen lassen, landete er, nur mit einer trüben Funzel gegen die Dunkelheit ankämpfend, auf einem Berg aus Knochen, vor allem menschlichen, aber auch solchen von Tieren, die durch das Loch gefallen waren.
    Heute war die Höhle eine Touristenattraktion, hell ausgeleuchtet und mit Tretbooten, mit denen man über den unterirdischen See fahren konnte. Der Betrieb verdiente nicht nur an Eintrittsgeldern und den Erlösen aus dem Café, dem Souvenirladen und den Musikkonzerten, sondern auch an selbstgefertigten Steingutprodukten. Glasgefäße, Porzellanteller, Keramikbecher, Tontöpfe, Vasen – alles, was sich auch nur halbwegs eignete, wurde dem dickflüssigen Kalksteinwasser ausgesetzt, das von der Decke tropfte und die Gegenstände schließlich selbst mit einer Steinschicht überzog. Die Nachfrage war so groß, dass Marcel und seine Familie mit der Herstellung kaum nachkamen.
    Es gab neben der Hauptgrotte noch kleinere Kammern voller Stalagmiten und Stalaktiten, die in gespenstisches Licht getaucht und mit phantasievollen Namen belegt waren. Marienkapelle hieß zum Beispiel eine Felsnische, in der eine Formation zu sehen war, die tatsächlich einer betenden Frau mit wallendem Gewand glich. Napoleons Schlafkammer bestand aus einem Bett mit vier Pfosten und

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