Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
Vorsitzende und ich, müssen Sie wissen, haben zusammen an der ENA studiert«, fuhr der Bürgermeister fort. Die Abkürzung stand für École Nationale d’Administration, die von de Gaulle gegründete Elitehochschule.
Das Gesicht des Bankers glänzte feucht vor Schweiß, und er schien den Tränen nahe.
»Ich verstehe wirklich nicht. Bitte, sagen Sie mir, was Sie zu beanstanden haben.«
Der Bürgermeister linste aus zusammengekniffenen Augen über den Rand seiner Brille und schob einen Papierstoß über den Schreibtisch auf die leicht gebückte Gestalt des Bankers zu.
»Lesen Sie das«, blaffte er. »Die erste Seite reicht.«
Bruno sah, dass es sich um die Petition handelte, mit der Gaston Lemontin gegen die Pläne für das Feriendorf Einspruch erhoben hatte. Anscheinend wollte Mangin an Valentin ein Exempel statuieren und klarstellen, dass allen, die sich seinem neuen Lieblingsprojekt widersetzten, unliebsame Konsequenzen drohten und eine unvergessliche Lektion in Sachen knallharter Politik erteilt werden würde, wie sie der Bürgermeister alle zehn Jahre ein Mal erteilte.
»Welcher Name steht an erster Stelle auf dieser Petition, die sich gegen ein so wichtiges Projekt für die Zukunft unserer Stadt richtet?«, fragte der Bürgermeister im Tonfall eines Schulmeisters, der sich von einem besonders dummen Schüler gelangweilt fühlt.
»Gaston Lemontin, gefolgt von Madame Lemontin, seiner Frau«, stammelte Valentin. »Das tut mir schrecklich leid. Es kann sich nur um ein Missverständnis handeln. Ich werde sofort…«
»Nach dem zweiten Namen habe ich nicht gefragt«, unterbrach der Bürgermeister.
Bruno verzog das Gesicht über das schlechte Benehmen seines Mentors, hielt sich aber zurück. Ihm war nun klar, dass er nicht zufällig zu diesem Gespräch hinzugebeten worden war. Der Bürgermeister wollte ihn dabeihaben, während er einen stolzen Mann langsam und genüsslich fertigmachte. Weniger klar war, ob er an dieser unschönen Szene wirklich Gefallen fand oder einfach nur eine Seite an sich ausprobieren wollte, die hin und wieder trainiert werden musste.
»Und was können Sie mir über diesen Gaston Lemontin sagen?«, hakte der Bürgermeister nach.
»Er ist der stellvertretende Leiter unserer Filiale in Saint-Denis.«
Der Bürgermeister nahm die Petition mit spitzen Fingern vom Schreibtisch und ließ sie in den Papierkorb fallen. »Soll das heißen, er ist immer noch stellvertretender Leiter Ihrer Filiale in meiner Stadt?«
»Wenn Sie mich für einen Moment entschuldigen wollen, Monsieur le Maire, werde ich mich mit Ihrer Erlaubnis sofort um diese Angelegenheit kümmern und mich später am Tag wieder bei Ihnen melden.«
Der Bürgermeister nickte, worauf Valentin davoneilte. Bruno lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und stieß kopfschüttelnd einen Schwall Luft aus.
»Soll das ein Zeichen der Bewunderung oder Ablehnung sein?«, fragte der Bürgermeister augenzwinkernd. Von der zornigen Miene, die er dem Banker gegenüber aufgesetzt hatte, war nichts mehr übrig.
»Ein bisschen von beidem. Aber wie viel von jedem, darüber bin ich mir noch nicht im Klaren. Dazu muss ich erst wissen, was aus Lemontin wird.«
»Wir sind hier in Frankreich. Er kann nicht gefeuert oder schlechtergestellt werden. Wahrscheinlich wird er auf einen gleichwertigen Posten in einer anderen Filiale versetzt, allerdings ohne Aussicht auf Beförderung. Und ich wette, man wird uns für unseren nächsten Kredit äußerst günstige Konditionen anbieten. Dafür können Sie als Steuerzahler, lieber Bruno, dankbar sein.«
Bruno nickte. »Es gibt da etwas anderes, das mir nicht aus dem Kopf geht. Lemontin könnte da wirklich einer Sache auf der Spur sein. Er sagte mir, dass es da ein paar größere Ungereimtheiten bei dieser Pariser Investmentbank gibt, mit der wir zu tun haben werden.«
»Die Bank wird natürlich ihre Geschäftsbeziehung mit der gebührenden Sorgfalt geprüft haben. Dafür zahlen wir schließlich Gebühren«, erwiderte der Bürgermeister.
»Momentan gehen in ganz Europa reihenweise Banken pleite. Und alle sind davon ausgegangen, dass zum Beispiel die Werte amerikanischer Hypotheken, griechische Schulden oder irische Finanzspekulationen mit der gebührenden Sorgfalt geprüft wurden«, gab Bruno zu bedenken.
Der Bürgermeister nickte nachdenklich. »Könnten Sie sich vielleicht diskret darüber informieren, worüber Lemontin tatsächlich so besorgt ist.«
»Ich bin kein Finanzexperte«, erwiderte Bruno.
»Machen
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