Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
Beispiel möchte ich wissen, ob Jean-Paul, der Sohn des Höhlenpächters, zu El Ghourmaris besten Freunden zählt. In dem Fall müsste ich mit seinem Vater ein ernstes Wort reden. Sie wissen, wie ich meine Arbeit mache, Florence. Sobald ich mich an Rollo wende, wird die Sache offiziell.«
»Das macht doch schon Ihre Uniform, Bruno.«
»Ich will die Sache aber nicht an die große Glocke hängen, nicht wenn Jugendliche darin verwickelt sind.«
Sie hörte auf, Teller und Joghurtbecher aufeinanderzustapeln, und schaute ihm in die Augen.
»Wenn Sie mit den Jungen sprechen, wäre ich gern dabei. Ist das möglich?«, fragte sie. Er nickte und glaubte zu sehen, wie es in ihr arbeitete. »Jean-Paul ist sein Freund, ja. Philippes Neffe Luc Delaron ebenfalls«, sagte sie und stand auf, um Butter und Wurst aus dem Kühlschrank zu holen. Das Schneidebrett lag schon auf dem Tisch, darauf ein halbes Baguette. Sie setzte sich wieder und fing an, die Wurst aufzuschneiden. »Die drei sind unzertrennlich. Manchmal ist auch Mathieu mit von der Partie, der Junge, den Sie vergangenes Jahr aus der Jauchegrube gezogen haben. Wollen Sie jetzt sofort mit ihnen reden, oder kann ich vorher noch etwas essen?«
Bruno warf einen Blick auf seine Uhr. Er musste gleich zum Bahnhof, um Isabelle abzuholen.
»Ach, das geht jetzt ohnehin nicht«, sagte er. »Ich bin verabredet. Aber vielleicht könnten Sie die Jungen nach Schulschluss für mich abfangen.«
»Wie gesagt, ich wäre bei dem Gespräch gern dabei«, wiederholte sie. »Ich habe sie in der letzten Stunde. Sie könnten ja gegen vier ins Schullabor kommen. So, und jetzt muss ich die beiden hier in die Krippe bringen.«
Sie stand auf, griff zu einem Handtuch, putzte den Kindern Gesicht und Hände und wischte den Tisch ab.
»Wenn die Jungen Schwierigkeiten bekämen, wäre ich sehr enttäuscht von Ihnen«, sagte sie.
11
Die einzige andere Person, die mit ihm am Bahnsteig wartete, war die dicke Jeanne, eine immer gutgelaunte, fast kugelrunde Frau, die auf dem Markt die Standgebühren einsammelte und ihren Spitznamen – dicke Jeanne – humorvoll übernommen hatte. Sie teilte Bruno mit, auf dem Weg nach Agen zu sein, um ihre Schwester für ein paar Tage zu besuchen. Dass er auf seine ehemalige Geliebte, die Inspectrice wartete, würde sich sehr wahrscheinlich in Windeseile herumgesprochen haben. Aber erst in ein paar Tagen, beruhigte sich Bruno, es sei denn, Jeanne fände die Nachricht so prickelnd, dass sie, kaum im Zug, ihr Handy aus der Tasche holen würde.
»Bist du verabredet?«, fragte Jeanne, nachdem sie sich mit bisous begrüßt hatten. Man sah, dass ihr die Frage auf den Nägeln brannte, wer wohl mit dem Zug aus Périgueux, Limoges oder gar Paris kommen mochte, um ihn zu treffen. »Was Offizielles, nicht wahr? Wegen dieser Teufelsgeschichte?«
»Ich erwarte eine Kollegin aus Paris. Du wirst dich bestimmt an sie erinnern«, antwortete er.
In diesem Moment war in der Ferne die Zugpfeife zu hören. Gleich darauf senkte sich die automatische Schranke vor dem Bahnübergang. »O ja, ich erinnere mich«, sagte sie. Und plötzlich schien ihr durch den Kopf zu gehen, dass er doch jetzt angeblich eine Liaison mit der verrückten, aber allseits beliebten Engländerin hatte.
Bruno fragte sich, wie es wohl wäre, in Paris oder einer anderen Großstadt zu leben, wo er in der Masse fremder Menschen anonym bleiben könnte, ohne befürchten zu müssen, dass gleich die ganze Stadt davon erfuhr, mit wem er verkehrte. Der Zug rollte in den Bahnhof ein und bremste ab. Obwohl er nur knapp eine Minute halten würde, ließ sich Jeanne mit dem Einsteigen Zeit. Offenbar brannte sie darauf, einen Blick auf die Polizistin aus Paris werfen zu können und ihren Verdacht bestätigt zu sehen, dass Bruno eine alte Affäre wiederaufleben ließ.
» Ça va, Bruno?«, fragte Isabelle, kaum dass sich die Wagentür geöffnet hatte. Ihr Lächeln ging ihm durch und durch. Ihr Kinn und die Wangenknochen waren immer noch so scharf ausgeprägt, wie nach ihrem Gewichtsverlust infolge der Schussverletzung. Offenbar hatte sie, ohnehin eher schlank, kaum wieder zugenommen. Wie immer trug sie Schwarz, einen Regenmantel, der bis zu den Knöcheln reichte, und eine Hose mit breitem roten Ledergürtel, passend zu ihrem Lippenstift. Die Haare waren noch kürzer geschnitten, was sie sich dank ihrer bezaubernd schönen Kopfform leisten konnte. Einen Millimeter weniger, und sie hätte einen Bürstenhaarschnitt, dachte Bruno. In
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