Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
Bachtal, das vom Château de Fleurac beherrscht wurde, einem neugotischen Monstrum, wie man es nur gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte bauen können. Etwa einen Kilometer dahinter lag in einer geschützten Senke ein alter Bauernhof mit frischgestrichenen hellblauen Fensterläden und zwei halbrunden Gewächshäusern aus durchsichtigen Plastikplanen, die über ein Metallgestänge gespannt waren.
Kaum war Bruno aus dem Wagen gestiegen, öffnete sich die Tür des Hauses. Ein großer, kräftiger Mann mit weißem Bart und langen weißen Haaren, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren, kam heraus und trocknete sich mit einem Handtuch die nackte Brust. Auf seinen Fersen folgte ein porcelaine, ein klassischer französischer Jagdhund, mit cremefarbenem Fell und Schlappohren. Er sprang herbei, um Bruno zu begrüßen.
Bruno stellte vor. »Das ist Laurent, nicht nur der beste Jäger im Tal, sondern auch der Mann, der für unser Mittagessen gesorgt hat.«
»Un petit apéro?«, fragte Laurent und schüttelte den Besuchern die Hände, besonders herzlich die von Isabelle, die er bewundernd musterte.
Sie setzten sich an einen selbstgeschreinerten Tisch auf die sonnenbeschienene Bank, und wenig später kam Laurent mit einem Tablett, darauf ein großer Krug, gefüllt mit einer fast schwarzen Flüssigkeit. Daneben lagen eine dicke Wurst und ein Laib selbstgebackenes Brot. Die vier Trinkgläser hatten, wie Bruno feststellte, früher einmal Senf enthalten.
Laurent nahm ein Messer von seinem Gürtel und schnitt die Wurst in Scheiben. Derweil erklärte Bruno, dass der Fleurac bis zur großen Reblaus-Epidemie im 19. Jahrhundert zu den besten Weinen Frankreichs gezählt hatte und in großen Mengen nach England und Holland exportiert worden war. Die Familie de Beauroyre, die ehemalige Eigentümerin des Châteaus und einst unermesslich reich, hatte nach mehreren Fehlernten Konkurs anmelden müssen. Die Familie verkaufte ihr Anwesen, worauf die neuen Besitzer neue Weinstöcke zu pflanzen versuchten. Weil es ihnen aber nie gelang, das AOC -Zertifikat zu erwerben, stellten sie den Betrieb ein und nutzten die in den sechziger Jahren gewährten Subventionen, um die Weinfelder zu roden.
»Jetzt bauen hier nur noch ich und ein paar Nachbarn Wein an, der aber nur für uns selbst und für Freunde reicht«, sagte Laurent und schenkte ein. »Er ist sehr vollmundig, genau das Richtige nach der Jagd.«
»Sehr gut«, sagte Jean-Jacques und leckte sich die Lippen. »Erinnert mich an einen Cahors.«
»Ist auch dieselbe Rebsorte, ein Malbec. Wir sagen côt dazu«, erklärte Laurent. »Mein Großvater hat immer behauptet, dieser Tropfen wäre zur Hochzeit von Eleanor von Aquitanien und dem englischen König serviert worden.«
»Vielleicht ist deshalb eine so beeindruckende Frau aus ihr geworden«, meinte Isabelle. »Machen Sie diese Wurst auch selbst?«
»Ja, zusammen mit Bruno«, antwortete Laurent. »Ich schieße das Reh, und er hilft mir beim Tragen.«
»Wo ist Amélie?«, fragte Bruno, und an die beiden anderen gerichtet: »Die eigentliche Arbeit mit der Wurst hat seine Frau. Laurent und ich leisten nur Handlangerdienste.«
»Sie ist auf dem Markt in Le Buisson und verkauft Hühner. Ich muss selbst bald hin, um ihr beim Standabbau zu helfen. Um deine Bestellung habe ich mich schon gekümmert, Bruno.«
Laurent führte die drei um das Haus herum in den ersten der von Plastik umspannten Tunnel, in dem es wie in einem Urwald dampfte und süßlich roch. Am Boden reiften Erdbeeren, von denen die meisten noch grün waren oder einen rosafarbenen Ton annahmen. Er bückte sich, schaute unter die Blätter und fand eine einzige rote Frucht, die er pflückte und Isabelle reichte.
»Mon Dieu!«, rief sie. »Wie lecker!«
» Mara des bois. Unsere Spezialität«, erklärte Laurent. »Die meisten pflanzen gariguette, aber ich finde, die eignen sich nur für Marmelade. Kommen Sie in zwei Wochen wieder, dann können Sie sich den Bauch vollschlagen.«
Im zweiten Gewächshaus waren keine Pflanzen zu sehen, nur Reihen gehäufelter Erde, aus denen kleine weiße Triebe sprossen. Auf einer Bank am Rand lag ein in Zeitungspapier gewickeltes Bündel, das Laurent in eine Plastiktüte steckte und Bruno reichte. Als er ihnen auch noch eine unetikettierte Flasche seines Weins dazu gab, konnte Isabelle ihre Neugier nicht länger zügeln.
»Was ist da drin?«
Bruno hob das Zeitungspapier an.
»Spargel! Jetzt schon?«, staunte sie. »In Paris gibt’s den
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