Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
Nach Süden hin erstreckte sich ein lang gezogener Wintergarten. Ein überdachter Säulengang führte zur Kapelle auf der Nordseite. Der ehemalige Wassergraben wurde von Sträuchern überwuchert.
»Dass solche Häuser noch in Privatbesitz sind, wundert mich immer wieder«, sagte Isabelle. »Man sollte doch meinen, die Revolution hätte damit Schluss gemacht.«
»Vergessen Sie nicht, wer die heutigen Eigentümer sind«, entgegnete Jean-Jacques. »Ich habe erwartet, dass eine rote Fahne über den Zinnen flattert.«
Als sie in den Hof kamen, sahen sie einen weißen Jaguar neben einem kleinen Peugeot und einem Renault-Kangoo parken. Bruno stieg aus Jean-Jacques’ Wagen, setzte seine Schirmmütze auf und trat auf das Portal zu, gefolgt von Jean-Jacques und Isabelle. Die Tür öffnete sich, und eine Angestellte in schwarzem Kostüm und mit gestärkter weißer Schürze nickte ihnen zu.
»Ich bin Commissaire Jalipeau, und das sind Inspectrice Perrault und Bruno Courrèges, chef de police «, stellte Jean-Jacques vor. »Wir sind in einer dienstlichen Angelegenheit hier und möchten die Komtesse sprechen. Aber zuerst eine Frage an Sie. Kennen Sie diese Frau?«
Er hielt ihr das Foto der Gerichtsmedizin vor die Nase, worauf sie erschrocken zurückwich. Sie betrachtete das Bild, drehte sich wortlos um und führte den Besuch durch ein großes Foyer, das mit dunklen und hellgrauen Steinplatten im Schachbrettmuster ausgelegt war. An den Wänden hingen alte Tapisserien. Vor einer Seitentür deutete sie einen Knicks an und verschwand dahinter. Jean-Jacques schaute ihr verärgert nach. Im Foyer war es merklich kühler als draußen. In einem riesigen offenen Kamin, in den ein ganzes Auto gepasst hätte, lag auf dem Rost ein einziges Holzscheit wie ein Versprechen auf Wärme. Bruno betrachtete die ausgeblichenen Wandbehänge, auf denen Schlachtenszenen zu erkennen waren. Ein seltsamer, fast medizinischer Geruch hing in der Luft, der ihn an Krankenhäuser erinnerte.
Eine Doppeltür öffnete sich, in der Lionel Foucher erschien. Er grüßte Bruno mit einem knappen Kopfnicken und zog die Brauen hoch, als er seine Augen auf Isabelle richtete. Ihr war deutlich anzumerken, dass sie an seinem überheblich taxierenden Blick Anstoß nahm. Foucher deutete ein Lächeln an, warf die Türflügel weit auf und trat elegant zur Seite, um eine ältere Dame vortreten zu lassen. Sie trug ein schwarzes Seidenkleid mit Spitzenkragen.
» Monsieur le Commissaire, wie ich höre, wünschen Sie meine Schwester zu sprechen. Ich muss Ihnen leider sagen, dass sie unpässlich ist. Aber vielleicht kann ich Ihnen helfen. Ich bin Hélöise de la Gorce.«
Sie streckte die Hand aus und erwartete anscheinend, dass Jean-Jacques den Kopf darüberbeugte. An fast jedem Finger steckte ein Ring. Sie sollten wohl die Gichtknoten verbergen. Das stahlgraue Haar schien aus Stein gemeißelt zu sein. Das Gesicht war ungeschminkt, aber an einem Halsband prangte ein großes rotes Juwel.
»Commissaire Jalipeau, Madame«, sagte Jean-Jacques und stellte auch seine Begleitung vor. Dann deutete er auf Foucher und fragte: »Und wer ist dieser Herr?«
»Monsieur Foucher, der mir dabei hilft, meinen Besitz zu verwalten«, antwortete sie. Ihr Blick streifte Bruno und Isabelle und richtete sich dann wieder auf Jean-Jacques.
»Wir können auch später wiederkommen, wenn es Ihrer Schwester besser geht«, schlug er vor.
»Sie ist schon seit vielen Jahren Invalide. Aber wie gesagt, vielleicht kann ich Ihnen ja helfen.«
Jean-Jacques zeigte ihr das Foto und erklärte, was es damit auf sich hatte. Sie nahm es an sich, betrachtete es flüchtig und reichte es Foucher mit der Aufforderung, das Personal zu befragen.
»Ich finde, die Tote verdient ein bisschen mehr Respekt, Madame«, sagte Isabelle. Sie nahm Foucher das Foto ab und hielt es der alten Dame vors Gesicht. »Schauen Sie es sich bitte genauer an.«
Der Alten blieb nichts anderes übrig.
»Ich kenne diese Person nicht«, sagte sie. »Ein Allerweltsgesicht ohne einprägsame Züge.«
»Wir haben Grund zu der Annahme, dass der Kahn, in dem sie aufgefunden wurde, in Ihrem Bootshaus gelegen hat, Madame«, erklärte Bruno. »Bitte rufen Sie Ihre Bediensteten. Wir möchten mit jedem Einzelnen reden. Und vielleicht könnten Sie mir in der Zwischenzeit verraten, wie krank Ihre Schwester tatsächlich ist.«
Die alte Dame musterte ihn kühl und forderte, ohne den Blick von Bruno abzuwenden, Foucher auf, das Personal im Foyer antreten zu
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