Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
Wie sollen Ihre Leser Ihnen jemals wieder vertrauen? Was soll ich von Ihnen halten?«
»Wenn ich den Hefter, den Sie da in der Hand haben, richtig deute, geben Sie mir noch eine Chance.«
»Nicht ganz«, erwiderte Bruno. »Ich stelle Sie auf die Probe.« Er schlug eine Seite auf, aus der die Beziehungen zwischen den Unternehmen, die in Thivion tätig waren, und dem Investor des Feriendorfes in Saint-Denis hervorgingen.
»Ich möchte, dass Sie nach Thivion fahren und Fotos von der Anlage machen, die so ähnlich auch bei uns entstehen soll. Der Bürgermeister von Thivion ist über das Ergebnis sehr verärgert, und ich will nicht, dass uns das Gleiche passiert.«
»Was haben diese Namen zu bedeuten?«, fragte Delaron mit Blick auf die Liste, die Bruno ihm gegeben hatte.
»Das sind die Gesellschaften und die Namen ihrer Vorstände, die in Thivion aktiv waren und sich jetzt in Saint-Denis engagieren. Wie Sie sehen, sind manche Namen doppelt vertreten. Was das heißt, muss ich Ihnen nicht weiter erklären, oder?«
»Warum geben Sie mir nur dieses eine Blatt? Wie es scheint, haben Sie in dieser Sache doch schon einen dicken Ordner zusammengetragen.«
Bruno lächelte, klopfte dem jungen Mann auf die Schulter und sagte: »Waidmannsheil.« Als er auf die Snackbar zusteuerte, warf er einen Blick auf seine Uhr und fragte sich, wann Isabelle den Ausgang des Tunnels erreicht haben würde. Er blieb vor der Tür stehen, schaute durch den Fensterausschnitt und sah eine Gestalt vor einem Plastikbecher am Tisch sitzen, die ihm irgendwie bekannt vorkam. Bruno versuchte, zehn Jahre zurückzurechnen und ein paar Kilo von der rundlichen Erscheinung abzuziehen. Im Geiste zog er ihr statt des teuren Tweedjacketts einen Rollkragenpullover und durchgescheuerte Jeans an, wie sie von Journalisten in Bosnien damals getragen worden waren. Aber er erkannte den Mann immer noch nicht. Erst als dieser aufblickte, bemerkte Bruno, dass er sich von dem glattrasierten Gesicht hatte irritieren lassen.
»Gilles von der Libération «, grüßte er herzlich, froh darüber, dass ihm der Name wieder eingefallen war. Den Nachnamen hatte er vergessen, nicht aber den leicht verschlafenen Blick und die heitere Miene. Gilles hatte den Artikel geschrieben, der die Médecins Sans Frontières bewogen hatte, die Verantwortung für das Frauenhaus zu übernehmen, in dem Bruno und seine Einheit die aus dem serbischen Bordell geretteten Bosnierinnen untergebracht hatten.
»Sergeant Courrèges«, rief Gilles und stand auf. »Sie werden Sarajewo nicht wiedererkennen. Da gibt es mittlerweile sogar ein Starbucks-Café.«
»Dafür also haben wir uns starkgemacht«, sagte Bruno. »Jetzt weiß ich es endlich.«
»Ich arbeite inzwischen für Paris Match, und Sie ahnen bestimmt, was mich hierhergeführt hat.«
Bruno nickte. »Im Moment hab ich leider nicht viel Zeit. Ich habe eine Verabredung und bin schon spät dran. Aber hier ist meine Karte mit meiner Handynummer. Wann ist bei Ihnen Redaktionsschluss?«
Gilles grinste. »Onlinemedien haben keinen Redaktionsschluss mehr. Ich schreibe für eine Website, auf die ich meine Texte jederzeit einstellen kann.«
»Ein weiter Weg von Sarajewo zum Satanismus.«
»Immerhin bin ich beschäftigt und werde dafür bezahlt, und das können heutzutage nicht viele Journalisten von sich behaupten. Diese Teufelsanbeterei ist ein hübsches Detail, aber nicht das, was mich eigentlich interessiert. Ich will wissen, wer diese Tote ist. Das ist meine Story.«
»Haben Sie etwa eine Ahnung?«, fragte Bruno, neugierig geworden.
»Ja, aber die ist sehr vage. Wenn ich von meinem Chef grünes Licht bekomme und mit meiner Ahnung richtig liege, werde ich Sie als Ersten einweihen. Ich nehme an, Sie haben die Frau noch nicht identifiziert.«
Bruno schüttelte den Kopf. »In ganz Frankreich scheint sie niemand zu vermissen. Aber wir bleiben am Ball. Haben Sie das Foto in unserer Zeitung gesehen?«
»Natürlich. Können Sie mir Einzelheiten verraten, die nicht in der Zeitung stehen? Zum Beispiel was die Autopsie ergeben hat?«
Seine Stimme klang so beiläufig, dass Bruno argwöhnisch wurde. »Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich Ermittlungsgeheimnisse preisgebe?«
»Nicht wirklich. Aber vielleicht können Sie mir sagen, ob irgendwelche Hinweise dafür sprechen, dass die Tote zu Lebzeiten irgendwann einmal in den Vereinigten Staaten gewesen ist.«
Bruno musterte ihn und erinnerte sich, Gilles in Sarajewo als seriösen Journalisten
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