Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
kennengelernt zu haben, mutig und immer humorvoll. »Unter uns, es scheint, sie hat sich ihre Zähne in Amerika machen lassen.«
»Aha«, sagte Gilles und nickte, als hätte er längst Bescheid gewusst. »Aus Schönheitsgründen, nehme ich an.«
»Sieht so aus. Und…«
»Dann bin ich wohl wirklich auf der richtigen Spur. Darf ich Sie zum Abendessen einladen?«
»Tut mir leid, ich bin schon verabredet. Vielleicht Sonntagabend oder nächste Woche, wenn Sie dann noch hier sind.«
»Ich werde wohl noch eine Weile bleiben«, sagte er und warf einen Blick auf Brunos Visitenkarte. »Sobald ich was Neues in Erfahrung gebracht habe, rufe ich Sie an«, versprach er und gab Bruno seine Karte.
18
Bruno trat aufs Gaspedal. Er ärgerte sich darüber, dass er Isabelle trotz ihres verletzten Beins durch den Tunnel hatte gehen lassen. Er hatte die Karte ausgebreitet vor sich auf dem Lenkrad und riskierte immer wieder einen Blick darauf, um sich zu orientieren. Wieder einmal sah er sich hier, außerhalb seiner Kommune, von den weiten Flussschleifen in die Irre geführt, zumal die Straße, vom Wasser und den Klippen dazu gezwungen, ständig die Richtung änderte. In direkter Linie lag Saint-Philippon von der Gouffre nicht mehr als einen Kilometer weit entfernt, auf der Straße waren aber fünf bis sieben Kilometer zurückzulegen. Im Hin und Her des Straßenverlaufs fand er sich immer weniger zurecht.
Wie hatte er sich einbilden können, die Gegend so gut zu kennen, dass es ihm überflüssig erschienen war, einen Blick auf die Karte zu werfen? Warum hatte er nicht daran gedacht, dass diejenigen, die durch den Tunnel eingestiegen waren, sich womöglich immer noch darin aufhielten oder aber den Einstieg verbaut hatten? Wenigstens kannte er diese Strecke und würde Isabelle bestimmt finden. Nein, er musste sich an den vereinbarten Plan halten. Doch wenn er Isabelle bei der verfallenen Kapelle nicht anträfe und der Einstieg verbaut wäre, würde er zur Höhle zurückfahren und durch die Falltür in den Tunnel einsteigen.
Vor einer Weggabelung bremste er scharf ab, unschlüssig, ob er sich links oder rechts halten musste. Er fluchte leise vor sich hin und schaute auf die Karte, konnte aber im Dämmerlicht nichts mehr erkennen. Er stieg aus und hielt die Karte vor einen der Scheinwerfer. Wo war er? Er orientierte sich an der untergehenden Sonne im Westen und fuhr dann mit dem Finger die Strecke entlang, die er von der Höhle aus zurückgelegt hatte. Er fand die Weggabelung auf der Karte und sah, dass er kurz vor seinem Ziel war. Hastig faltete er die Karte zusammen, sprang wieder in den Wagen und bog rechts ab. Er fuhr jetzt langsamer, um den Abzweig nach links nicht zu verpassen, der über das Plateau ins Tal der verlassenen Ortschaft Saint-Philippon hinunterführte. Bruno fand die Abzweigung. Im aufgeblendeten Scheinwerferlicht sah er wenig später das Kreuz auf dem eingestürzten Kapellendach. Er ließ den Motor laufen, stieg aus und rief Isabelles Namen, während er durch Heidegestrüpp lief und fast in die Senke eines eingefallenen Grabes gestürzt wäre.
Immer mit der Ruhe, redete er sich zu. Er holte tief Luft und kehrte zu seinem Transporter zurück, um die Taschenlampe zu holen. Vorsichtig ging er wieder auf die Ruine zu, den Lichtstrahl vor sich auf den Boden gerichtet. Wenn du dir jetzt ein Bein brichst, ist Isabelle nicht geholfen, dachte er und erinnerte sich an die Worte des Barons: Der Einstieg zum Tunnel ist in der Kapelle versteckt. Bruno blieb stehen und betrachtete, was von ihr übriggeblieben war. Sie war ungefähr sechs Meter lang und vier Meter breit, aus großen Felsquadern gebaut und mit lauzes gedeckt, Kalksteinschindeln, die sich so fest ineinander verhaken ließen, dass man auf Dachsparren verzichten konnte. Inzwischen war aber ungefähr ein Drittel des Dachs eingestürzt. Die Giebelfront war hinter Kletterranken verschwunden, das Kreuz darüber stand schief und drohte wie die Schindeln ins Kirchenschiff zu stürzen.
Vom Tor war nicht mehr viel übrig. Bruno zog es auf und richtete seine Taschenlampe auf einen Berg aus lauzes und Steinen. Wenn es hier eine Falltür gab, war sie bestimmt unter Schutt vergraben. Aber irgendjemand hatte vor kurzem den Tunnel benutzt; es musste einen Einstieg geben. Er machte kehrt, inspizierte das Gemäuer von außen und rüttelte an einem der Grabsteine, der jedoch fest verankert war. Zurück in der Kapelle fiel sein Blick auf den Altar, eine große Platte aus
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