Femme Fatales
Fanu? Ist Ihnen nicht wohl?“, erkundigte sich Madame Vaux besorgt.
Milena war unfähig zu antworten.
Aber sie war aus irgendeinem Grund wieder fähig sich zu bewegen.
Sie trat den einen Schritt zu Madames Schreibtisch, ergriff den schweren Füllfederhalter und unterzeichnete nacheinander jedes der Dokumente, die Madame Vaux ihr präsentierte.
Sie fühlte sich danach nicht erleichtert. Aber sie versuchte sich einzureden, dass sie von nun an sicherer sei. Und Sicherheit zählte etwas in einer Welt, die so düster war wie jene, in welcher Milena sich nach ihrer Entführung wieder gefunden hatte.
27 .
An diesem Abend machte Nolde sich einen Drink mehr als sonst. Er versuchte sich einzureden, dass es richtig gewesen war Milenas Blick auszuweichen. Und zwar für alle – nicht nur für ihn selbst, seine Firma und deren Angestellte, sondern vor allem auch für Milena.
Nolde war Polizist gewesen. Polizisten mussten lernen zu vergessen, sonst hielten sie in dem Job nicht allzu lange durch. Denn trug man die Probleme und Verbrechen anderer Leute zu lange mit sich herum, dann fraßen sie einen allmählich innerlich auf. Das galt genauso für Privatdetektive.
Trotzdem.
Madame Vaux und ihre Blase waren zu weit gegangen. Dass sie die Elite der französischen Manager darstellten, machte die kriminelle Energie, mit der sie vorgegangen waren, nur umso erschreckender.
Nolde weigerte sich daran zu denken, wozu sonst diese Leute noch fähig waren. Wie weit waren sie bereit zu gehen, sollten sie sich eines Tages ernsthaft in ihrer Macht bedroht sehen? Begingen sie dann Morde? Zettelten sie Kriege an?
Nolde war erleichtert gewesen, als sie Milena dann zum Heli zurück begleiteten und sie sich zum Schluss auch noch bei Hammer und ihm bedankte. Vielleicht war es kein wirklich überschwänglicher Auftritt gewesen, aber auf Nolde hatte er ehrlich genug gewirkt.
Er nippte an seinem Scotch und steckte sich eine neue Zigarette an, bevor er eine ziemlich alte Madonna Platte auflegte.
Schließlich trat er auf die weitläufige Terrasse seines Penthouses hinaus und warf einen langen Blick in den transparenten Abendhimmel.
Er fragte sich, was Nolde Senior zur Affäre Fanu gesagt hätte.
Nolde fand, er brauchte erstaunlich lange, um eine schlüssige Antwort darauf zu finden.
„Diese Fanu Affäre? Das war doch nichts als die übliche Scheiße“ - genau das hätte der alte Mann dazu gesagt. Und wahrscheinlich hätte er damit sogar irgendwie Recht gehabt.
Morgen war ein neuer Tag, dachte Nolde. Ein neuer Tag, an dem genauso viel himmelschreiende Ungerechtigkeit geschehen würde, wie an jedem anderen zuvor.
Nichts würde sich ändern. Außer, dass eine Frau namens Milena ein größeres Büro und ein teureres Appartement bezog.
Alles wie gehabt.
Nur nicht in Bezug auf ihn selbst und seine Firma.
Denn die lagen beide gerade weit vorn.
5. Teil / Juli 2010
Die beiden sehr gepflegten und sehr freundlichen Herren, die Nolde eben aus seinem Büro zum Lift geleitet hatte, arbeiteten für A.C.E., die zweitgrößte private Sicherheitsfirma der USA, deren Umsatz in die Milliarden ging.
Sie waren keine halbe Stunde bei Nolde gewesen und den größten Teil dieser knapp dreißig Minuten hatten die beiden mit ihm im Grunde nur Höflichkeiten ausgetauscht. Erst kurz bevor sie sich verabschiedeten hatte der ältere der beiden einen zwei Mal gefalteten Bogen Papier über Noldes Schreibtisch hinweg geschoben.
Der Bogen lag immer noch auf dem Schreibtisch als Nolde in sein Büro zurückkehrte. Es stand nichts weiter als eine Zahl darauf: 32 Millionen. Soviel war A.C.E. bereit Hammer und Nolde für ihr Unternehmen zu zahlen, das inzwischen 200 Mitarbeiter in ganz Frankreich beschäftigte.
Das war genug Geld um sich zur Ruhe zu setzen, dachte Nolde und fragte sich ob er sich diesen Moment je so nüchtern ausgemalt hatte, wie er letztlich tatsächlich abgelaufen war. Vielleicht, meinte er.
War es das nun? Sah so der Blick vom Gipfel aus? Er fühlte sich seltsam unspektakulär an, fast normal, meinte Nolde. Er steckte den Zettel in seine Jackettasche und trat zum Fenster, hinter dem dieser blaue Pariser Sommerhimmel lag. Wieder war Juli.
Nolde hätte jetzt endlich doch zufrieden mit sich sein sollen. Stattdessen sah er verdrossen und bitter auf den wolkenlosen Pariser Himmel hinaus und dachte über Dinge nach, die so gar nichts mit dem Angebot auf dem Bogen Papier in seiner Tasche zu tun hatten.
Heute war der 13. Juli.
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