Ferien Auf Saltkrokan
bei ihm bin«, sagte Stina. »So!«
Da umdüsterte sich Tjorvens Gesicht, und sie sagte finster: »Aber ich, ich habe einen Hund. Wenn diese Schufte bloß endlich mit ihm nach Hause kommen wollten.«
Ihr Hund, ja, ihr Bootsmann! Der unternahm gerade einen kleinen Spaziergang auf eigene Faust um die ganze Schäre herum, und diese sogenannten Schufte merkten nicht einmal, daß er fort war.
Sie hatten einen herrlichen Morgen gehabt, ach, wie herrlich! »Zuerst baden wir«, hatte Teddy gesagt, und das taten sie dann. Das Wasser war wie immer im Juni. Nur junge Toren von zwölf, dreizehn Jahren stürzen sich freiwillig in ein so bitterkaltes Naß. Aber genau solche jungen Toren waren sie ja, und sie starben nicht daran, im Gegenteil, sie lebten, und sie glühten. Und sie stürzten sich jubelnd von den Felsen und tauchten und schwammen und spielten und platschten im Wasser herum, bis sie vor Kälte blau waren. Da zündeten sie sich auf einem geschützten Felshang ihr Lagerfeuer an und setzten sich drum herum, und in ihrem Blut spürten sie sämtliche Indianer und Neusiedler und Pelztierjäger und Steinzeitmenschen, die um Lagerfeuer gesessen haben, seit das Menschengeschlecht auf dieser Erde lebt. Sie waren jetzt Fischer und Jäger und Fänger, sie führten das freie Leben der Wildnis und grillten ihre Beute über der Glut, während Seeschwalben und Mantelmöwen und Silbermöwen kreischend über ihnen kreisten und versuchten, ihnen zu sagen, daß aller gegrillte Dorsch auf dieser Insel eigentlich ihnen gehöre. Aber die Eindringlinge blieben unbekümmert sitzen und aßen und aßen ihren vorzüglichen Dorsch und machten den widerwärtigsten Lärm. »Kra, kra, kra«, schrien sie und hörten sich an wie Krähen, ja, denn sie hatten gerade einen geheimen Klub gegründet, dem sie den geheimen Namen »Die Vier Salzkrähen« geben wollten und der für ewig geheim bleiben sollte. Ihr Kampfruf war nicht geheim, alle Seeschwalben und Mantelmöwen und Silbermöwen hörten ihn und mochten ihn gar nicht. »Kra, kra, kra«, tönte es über Felsinseln und Schären und Fjorde, aber mehr erfuhr keiner, denn alles übrige war ganz geheim, ganz geheim, ganz geheim.
Die Glut ihres Feuers wurde zu Asche, sie aber blieben auf dem sonnenheißen Felsen liegen und unterhielten sich über all das Geheime, das sie miteinander unternehmen wollten, sobald sie Zeit dafür hatten. Und die Stunden vergingen, die Junisonne ließ weiterhin verschwenderisch ihre Strahlen über sie hinfluten, und sie lagen dort und spürten den Sommer im ganzen Körper als etwas wunderbar Schönes und Unbeschreibliches, zum Faulenzen geschaffen.
Bis Freddy draußen auf dem Fjord einen treibenden Kahn entdeckte. Er war so weit entfernt, daß sie ihn kaum noch erkennen konnten, aber daß er leer war, das sahen sie.
»Wie vertäuen eigentlich die Leute ihre Boote?« fragte Johann.
Da fuhr Teddy hoch, als ob ihr ein entsetzlicher Gedanke gekommen wäre. »Ja, das möchte ich auch mal wissen«, sagte sie, als sie nachgeguckt hatte. In der Felsspalte, in die sie den Kahn hineingezogen hatten, lag kein Kahn mehr. Teddy sah Johann streng an.
»Das möchte ich tatsächlich wissen – wie vertäust du eigentlich ein Boot?«
Johann war es gewesen, der gesagt hatte, er wollte das Festmachen übernehmen, damit es ordentlich gemacht werde.
»Ist es nicht sonderbar, daß ein Kind seinem Vater aufs I-Tüpfelchen gleichen kann?« pflegte Malin von Johann zu sagen. Und es war wirklich sonderbar.
Sie konnten den Kahn noch immer weit draußen im Sonnenschein erkennen. Freddy stand auf einem Stein und winkte dem Boot mit beiden Händen nach.
»Leb wohl, leb wohl, mein kleines Boot, grüß Finnland von uns!«
Aber Johann war rot geworden. Er sah die anderen beschämt an.
»Es ist alles meine Schuld. Seid ihr jetzt böse auf mich?«
»Ach was«, sagte Teddy. »So was passiert schon mal.«
»Wie kommen wir aber jetzt hier weg?« fragte Niklas und versuchte, seine Stimme nicht genauso ängstlich klingen zu lassen, wie ihm zumute war.
Teddy zuckte mit den Schultern.
»Wir müssen eben warten, bis jemand vorbeikommt. Das kann natürlich einige Wochen dauern«, fügte sie hinzu. Es war zu verführerisch, ihm ein bißchen Angst einzujagen.
»Na, dann wird zum mindesten Bootsmann verhungert sein«, sagte Johann. Er wußte, was für Portionen Tjorvens Hund sich einverleiben konnte.
Da fiel ihnen Bootsmann ein. Wo war er eigentlich? Sie erinnerten sich jetzt, daß sie ihn seit langem
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