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Ferien Auf Saltkrokan

Ferien Auf Saltkrokan

Titel: Ferien Auf Saltkrokan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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sei eben da vorbeigefahren und habe nachgesehen. Da ging Melcher murmelnd fort. Er traute sich nicht zu sprechen, weil niemand die Tränen in seiner Stimme hören sollte.
    Auch als er zu Malin hineinkam, sagte er nichts. Sie saß mit Pelle im Wohnzimmer. Pelle zeichnete. Malin strickte. Und die alte Amerikaneruhr an der Wand tickte leise, die Glut vom abendlichen Feuer leuchtete im Kamin, der ganze Raum war voll tiefstem Frieden.
    So ruhig, so friedvoll, so wunderbar könnte das Leben sein, dachte Melcher, wenn man nur nicht zwei Kinder in Seenot draußen auf dem Meer hätte.
    Melcher sank aufs Sofa und seufzte schwer. Malin warf ihm einen forschenden Blick zu. Sie wußte genau, wie es um ihn stand, und das Große Beben würde nicht lange auf sich warten lassen. Dann brauchte er sie, aber bis dahin saß sie schweigend da und strickte.
    Und Melcher nahm sie nicht mehr wahr. Weder sie noch Pelle, sie gingen ihn nichts an. In diesem Augenblick hatte er nur zwei Kinder, und die kämpften draußen auf dem Meer um ihr Leben. Er sah sie viel deutlicher vor sich als Malin und Pelle. Aber sie verhielten sich dauernd anders. Mal lagen sie halbtot vor Hunger und Kälte auf dem Boden des Kahns und riefen mit schwacher Stimme nach ihrem Vater. Mal lagen sie im Wasser und versuchten, mit letzter Kraft eine kleine Felsinsel zu erklimmen. Sie krallten sich mit den Nägeln fest und schrien voller Angst nach ihrem Vater. Nun aber kam eine riesige Woge – wo die nun herkommen mochte, da es doch ganz still war? –, aber sie kam und riß seine beiden Kinder mit sich, und sie versanken, und ihre Haare wogten wie Seegras unter Wasser, ach Herrgott, weshalb konnten Kinder nicht für immer drei Jahre alt bleiben und auf dem Sandhaufen sitzen mit Eimer und Schaufel, damit einem solche Qual erspart blieb!
    Er seufzte schwer ein über das andere Mal, da endlich erinnerte er sich an Malin und Pelle, und er sah ein, daß er sich zusammennehmen mußte. Er sah Pelles Zeichnung an. Sie stellte ein Pferd vor, das sah er; das Pferd sah aber im Gesicht genauso aus wie der alte Söderman. Normalerweise hätte Melcher gelacht, jetzt sagte er nur:
    »Na, Pelle, du zeichnest? Und du, Malin – was strickst du denn da?«
    »Einen Pullover für Niklas«, antwortete Malin.
    »Da wird er sich aber freuen«, sagte Melcher; er schluckte jedoch heftig, denn er wußte ja, daß Niklas auf dem Meeresgrund lag und nie mehr einen Pullover brauchen würde. Niklas, Niklas, sein lieber Junge! Wenn man bedenkt, wie er damals, als er zwei Jahre alt war, aus dem Fenster gefallen war. Schon damals hatte Melcher begriffen, daß er so ein engelhaftes Kind war, dem kein langes Leben beschieden sein würde. Ach, das war ja Pelle gewesen, fiel ihm plötzlich ein, und er warf dem armen Pelle, dessen einziger Fehler der war, daß er nicht auf dem Meeresgrunde lag, einen mißbilligenden Blick zu.
    Aber Pelle war ein gescheiter kleiner Kerl, der mehr verstand, als Melcher und Malin jemals klarwurde. Nachdem er sich lange genug die stummen Seufzer angehört hatte, die sein Vater in regelmäßigen Abständen ausstieß, legte er die Zeichnung beiseite. Er wußte, erwachsene Menschen brauchten auch manchmal Trost, und so ging er denn ohne ein Wort zu Melcher und schlang die Arme um seinen Hals.
    Da fing Melcher an zu weinen. Er drückte Pelle heftig an sich und weinte stumm und verzweifelt und mit abgewandtem Gesicht, damit Pelle es nicht merkte.
    »Es wird schon alles gut werden«, sagte Pelle tröstend. »Ich geh jetzt raus und seh nach, ob der Nebel sich verzogen hat.«
    Das war nicht der Fall, eher das Gegenteil. Aber Pelle fand unten am Ufer einen Stein, einen kleinen, feinen braunen Stein, der ganz rund war und sich seidig anfühlte. Den zeigte er Tjorven.
    Sie war auch draußen im Nebel. Es war ein aufregendes und dramatisches Wetter, und sie mochte es eigentlich, nur heute nicht ganz so gern, da Bootsmann nicht bei ihr war, sondern irgendwo draußen in dieser dicken, grauen Watte.
    »Vielleicht ist es ein Wunschstein«, sagte Pelle. »Man nimmt ihn in die Hand und wünscht sich etwas, und dann geht es in Erfüllung.«
    »Und das soll ich glauben?« sagte Tjorven. »Wünsch dir, daß wir zwei Kilo Bonbons kriegen, dann wirst du ja sehen.«
    Pelle schnaubte. »Man muß sich etwas Richtiges wünschen, wenn man sich etwas wünscht.«
    Und er hielt den Stein in seiner ausgestreckten Hand und wünschte so feierlich und richtig, wie er nur konnte.
    »Ich wünsche , daß meine Brüder

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