Ferien mit Biss
würde er all das in den Laptop eingeben. Jetzt wagte er es jedoch nicht, sich von der Stelle zu rühren. Zu viel ging gerade im Wald vor sich. Zu viel Seltsames.
In dem Augenblick flog ein buckliger Vampir aus dem Höhleneingang. Er hatte einen Bauchladen umgeschnallt und rief: »Innereien von Dudu sind stärker als Voodoo!« Den Rest verstand Dirk van Kombast nicht, da der Bauchladenvampir abdrehte und auf die Lichtung zuflog.
Dem buckligen Vampir folgten drei Vampirdamen. Dirk van Kombast erkannte darunter Karpa Tepes, die Schwägerin seines Nachbarn. Mit ihrem goldblonden Haarturm war sie nicht zu übersehen. Zu überhören war sie auch nicht. Allerdings redete sie Vampwanisch. Dirk van Kombast verstand kein Wort. Vielleicht sollte er versuchen, ein Wörterbuch anzulegen. Die Sprache der Feinde zu verstehen, konnte nur hilfreich sein. Außerdem war Vampwanisch genau genommen so international wie Englisch. Es wurde weltweit gesprochen. Davon war Dirk van Kombast überzeugt.
Karpa Tepes und die anderen beiden Vampirdamen schleiften etwas auf die Lichtung. Dirk van Kombast stockte der Atem, als er sah, was es war. Karpa Tepes hatte die Beine in der Hand. Die anderen beiden hatten links und rechts den Oberkörper gepackt. Der Kopf hing schlaff zur Seite. Die Arme schleiften auf dem Boden.
Das Bild verwackelte. Dirk van Kombasts Hände zitterten. Er musste das Fernglas absetzen. Die Vampirdamen schafften eine Leiche auf den Festplatz! Einen toten Menschen! Vollkommen blutleer gesaugt, darüber bestand kein Zweifel. Bestimmt sollte er in einer grausamen Zeremonie als Opfer dargeboten werden.
Dirk van Kombast schloss die Augen und suchte nach seiner inneren Kraft. Dazu atmete er durch ein Nasenloch ein und durch das andere wieder aus. Das war die Sonne-Mond-Atmung. Er hatte sie bei Ajala im letzten Yogaworkshop erlernt. Dirk van Kombast atmete 30 Sekunden auf diese Weise. Dann hatte er seine innere Kraft gefunden. Sie hatte in der Nähe der linken Kniescheibe gesteckt. Er nahm das Fernglas wieder zur Hand, setzte es an und war bereit, dem Gräuel ins Auge zu blicken.
Die Vampirdamen stellten die Leiche gerade mitten auf der Lichtung an einem Holzpfahl auf. »Eine Zeremonie«, murmelte Dirk van Kombast. »Hab ich's mir doch gedacht.« Er stellte das Fernglas schärfer und suchte das Gesicht der Leiche. Obwohl er sich nicht sicher war, ob er dem Anblick standhalten würde. Sein Magen war empfindlich. Besonders seit dem letzten einwöchigen Durchfall. Doch er musste stark sein. Er war der einzige menschliche Zeuge. Als er der Leiche ins Auge blickte, erschrak er. Nicht vor Entsetzen. Vor Schreck. Und Erleichterung. Die Leiche hatte Knopfaugen. Ihre Nase war eine gehäutete Zwiebel. Den Mund bildeten zwei Orangenstückchen. In ihnen steckten vier spitze Holzstöckchen. Genau dort, wo die Eckzähne saßen. Die Leiche war keine Leiche. Die Leiche war eine ausgestopfte Vampirpuppe.
Auf einmal verstellte Karpa Tepes den Blick auf das Gesicht. Sie malte der Vampirpuppe einen dicken schwarzen Bart. Danach setzte sie der Puppe einen galanten dunkelgrauen Hut auf. Eine der beiden Vampirdamen nickte anerkennend. Die andere warf dem ausgestopften Vampir eine Kusshand zu.
Dirk van Kombast ließ das Fernglas sinken. Er atmete durch. Durch beide Nasenlöcher. Dann rieb er sich mit einer Hand die Augen. Die Vampire waren gerade mal beim Aufbau für ihr Nationalfest. Und er hatte schon das erste Herzrasen hinter sich. Was sollte das für eine Nacht werden? Die Vampwanische Nationalfeiernacht. Das klang nicht nach dem Fest der Liebe, fand Dirk van Kombast. Am besten, er machte sich auf alles gefasst.
Feiern mit Stil
und Rotze
U ltimo stark!«, rief Woiwo. Er stand mit unzähligen anderen Zuschauern unterhalb der Hängebrücke und sah nach oben. Auf der Hängebrücke führte sein Vater mit einem anderen Vampir einen Ha-Chi-Kampf auf. Vlad Tepes war Meister des Ha-Chi, einer uralten vampwanischen Kampfsportart. »Zack! Zong! Wong!«, rief Woiwo und machte die Armbewegungen seines Vaters nach. Die waren jedoch nur schmückendes Beiwerk. Sie sollten die Atmung unterstützen und den Gegner einschüchtern. Die eigentliche Waffe beim Ha-Chi-Kampf war die Nase. Die Gegner schleuderten sich explosionsartig Luft durch die Nase entgegen. Die Luft schoss mit einer Geschwindigkeit von bis zu 160 Kilometer pro Stunde auf den Gegner zu. Ziel war es, den Gegner umzuniesen, ihn zum Abwenden zu bringen oder ihn seiner Nieskraft zu berauben.
Vlad
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